Europa

Die Athener Akropolis wird betoniert – Bereit für den barrierefreien Massentourismus

Archäologen und Historiker laufen Sturm: Auf der Athener Akropolis wird Beton verlegt, um zukünftig noch mehr Touristenmassen empfangen zu können. Die griechische Regierung sieht das als Inklusion von Menschen mit Behinderung. Kritiker sagen, dem Druck der Kreuzfahrtindustrie wurde nachgegeben.
Die Athener Akropolis wird betoniert – Bereit für den barrierefreien MassentourismusQuelle: AP © Louisa Gouliamaki

Die Akropolis in Athen wird umfangreich umgearbeitet. Um zukünftigen Touristenströmen den Zugang zu erleichtern, wurde bereits in den vergangenen Monaten ein Aufzug installiert. Jetzt wird Beton mitten auf der Akropolis verlegt – unmittelbar neben dem weltberühmten Parthenon. Archäologen sind entsetzt darüber, dass der Schutz und der Erhalt der Altertümer den Interessen der Tourismusbranche untergeordnet werden. Vor der Corona-Krise haben etwa 3,5 Millionen Touristen jährlich die Akropolis besichtigt, die damit die größte Touristenattraktion Griechenlands ist.

Die griechische Regierung argumentiert, die vorgenommenen Maßnahmen seien Teil eines Sicherheits- und Inklusionsprojektes. Mithilfe des Aufzuges und der planierten Betonwege soll beispielsweise Rollstuhlfahren ein barrierefreier Zugang zu dem UNESCO-Weltkulturerbe ermöglicht werden. Laut dem griechischen Kultusministerium sollen zudem Schilder in Blindenschrift sowie mit fett gedruckten Lettern für sehbehinderten Besucher aufgestellt werden. Geländer und Warnschilder sollen bei starken Gefällen installiert werden.

Die Kultusministerin Lina Mendoni, die selbst studierte Archäologin ist, verteidigte das Umbauprojekt:

"Wir glauben, dass die Akropolis mit all ihrer Symbolik und ihren Werten auch für Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich sein sollte."

Die Bauarbeiten würden mit Fachleuten in Absprache mit dem Zentralen Archäologischen Rat (KAS) vorgenommen werden – von Personen, "deren Verlässlichkeit nicht bestritten werden kann". Seit den Olympischen Sommerspielen 2004 seien Pläne diskutiert worden, wie den Menschen mit Behinderung der Zugang zur Akropolis erleichtert werden könne. Mit der Sperrung der Akropolis für Besucher als Teil der Corona-Maßnahmen konnten nun zahlreiche Pläne in die Wege geleitet werden.

Beton statt Kalkstein auf der Akropolis

Besonders die Verlegung der Betonwege löst heftigen Widerspruch seitens Archäologen und Historiker aus, die darin einen massiven Eingriff in die historische Stätte und somit eine Gefährdung des Kulturdenkmals sehen. Die neue Wegeführung soll den alten Fußpfad ersetzen, der sich an dem antiken Panathenäischen Weg orientierte. Der Pfad wird verbreitert und an mehren Stellen von dem historisch überlieferten Original abweichen – mit sichtbaren Folgen für das Gesamtbild der Akropolis.

Die Präsidentin der Association of Greek Archaeologists, Despoina Koutsoumba, beschreibt die vorgenommenen Veränderungen laut The Guardian folgendermaßen:

"Es ist, als ob der Parthenon selbst auf Straßenhöhe herabgesetzt und umgeben wurde von einer Betondecke."

Der Architekt Tasos Tanoulas, der bis vor Kurzem Direktor der Restauration am Propyläen war – dem monumentalen Torbau zum heiligen Bezirk der Athener Akropolis – spricht ein deutliches Urteil über die Entscheidung, so viel Beton auf der Akropolis zu verlegen. Dies würde unweigerlich zu einer "Degradierung der natürlichen Umgebung" führen und zu einer "Abwertung des gesamten Plateaus als natürliches, für sich selbst stehendes Monument und als eine naturgegebene Festung".

Tanoulas verfasst ein Schreiben an die World Heritage Watch – eine Organisation mit Sitz in Berlin, die das Ziel verfolgt, archäologische Stätten vor der Opferung für wirtschaftliche Zwecke zu bewahren. Er argumentiert, dass die geplanten baulichen Veränderungen die architektonische und künstlerische Pracht der antiken Monumente zu mindern drohen.

Für Yannis Hamilakis, Professor für Archäologie und Modern Greek Studies an der Brown University in Rhode Island (USA), steht fest, die Bauvorhaben sind ein "Skandal globalen Ausmaßes" und gefährden die gesamte Signifikanz der Akropolis als UNESCO-Weltkulturerbe. Hamilakis betont:

"Das Skandalöseste daran ist wohl, dass diese Arbeiten ohne vorherige systematische Studien durchgeführt werden. Das ist ganz klar ein Versuch, ein imaginäres Bild der Akropolis des 5. Jahrhunderts vor Christus zu verfestigen – ein neoklassizistischer, kolonialistischer und nationalistischer Traum, der sich mit der Regierungsagenda deckt, die Stätte weiter zu kommerzialisieren."

Die Akropolis als "Patient"?

Die Kritikpunkte kommen nicht von ungefähr: Einer der Hauptakteure hinter den aktuellen Bauplänen ist Manolis Korres, eine weltbekannte Autorität für das 5. Jahrhundert vor Christus in Griechenland – der klassischen Blütephase Athens nach den Perserkriegen – und Leiter des Komitees für die Erhaltung der Akropolis (ESMA). Die Betonwege werden nach seinen Plänen verlegt, ebenso wird der gesamte Eingangsbereich der Akropolis, der Propyläen, nach seinen Ideen umgearbeitet. Historische vorgenommene Eingriffe etwa von den Römern sollen damit beseitigt werden und das "ursprüngliche" Bild der klassisch-griechischen Akropolis wiederhergestellt werden.

Korres resümierte laut The Guardian über seine Pläne:

"Viele Generationen von Gelehrten haben versucht, Ordnung in dieses Chaos zu bringen – ich ebenfalls. Das Anliegen ist zu bewahren, was hier ist. In einem Krankenhaus kümmert man sich um Patienten, für mich sind die Steine hier meine Patienten."

Für die griechische Kultusministerin Mendoni steht fest, dass durch die Veränderungen ein Beitrag für die Sicherheit der Akropolis-Besucher geleistet werde. Jedes Jahr wäre es bisher zu durchschnittlich 150 schweren Verletzungen gekommen, darunter auch Beinbrüchen, durch den rutschigen Kalksteinboden. Diese sollen nun durch den Betonboden verhindert werden. Medoni signalisiert gleichzeitig, dass es unmöglich sei, nicht kritisiert zu werden:

"Wenn man nichts tut, wird man kritisiert; wenn man etwas tut, wird man auch kritisiert."

Die Kritik an dem Bauvorhaben schockiert auch Manolis Korres nicht. Er macht deutlich:

"Jede Intervention lässt Fragen über die Ästhetik aufsteigen und ist ein kontroverser Prozess. Es geht immer darum, abzuwägen, was man gewinnt und was man verliert."

Despina Koutsoumba, die Präsidentin der Association of Greek Archaeologists, sieht eher handfestere Motivationen hinter dem Bauvorhaben:

"Es gab unheimlich großen Druck, besonders von der Kreuzfahrtindustrie, die Besucherkapazität zu erhöhen, damit sogar noch größerer Menschenmassen bewältigt werden können."

Die Athener Akropolis zählt zu den berühmtesten Monumenten der griechischen Antike. Die Felsenformation diente in der frühen griechischen Geschichte zunächst als Siedlungsplatz sowie Festung und wurde dann in der klassischen Blütephase Athens zum Tempelbezirk ausgebaut. Das geschah insbesondere ab 448 vor unserer Zeitrechnung nach dem Sieg über die Perser. Unter der Führung des griechischen Staatsmannes Perikles (490–429 v. u. Z.) wurde die Akropolis völlig neu gestaltet und erhielt damit ihre "klassische" Gestalt.

Im Laufe der Geschichte wurde die Akropolis mehrfach zerstört bzw. teilweise zerstört, neu auf- und umgebaut. Angefangen mit den Zerstörungen in den Perserkriegen, als die Perser Athen im Jahr 480 v. u. Z. einnahmen und den archaischen Tempel der Athene zerstörten. In hellenistischer Zeit und später von den römischen Eroberern wurden zahlreiche Gebäude auf der Akropolis errichtet – so etwa unzählige Statuen oder die Tempel der Roma und des Augustus.

In der Folgezeit dienten Gebäude auf der Akropolis sowohl als Kirchen (Byzantinisches Reich) als auch als Moscheen (Osmanisches Reich). In der Neuzeit wurde die Akropolis wieder mehrfach als Festung benutzt und in Kriegshandlungen zum Teil schwer beschädigt. So etwa im Jahr 1687, als die Streitkräfte von Venedig das vom Osmanischen Reich besetzte Athen belagerten. Damals wurde der Parthenon als Pulvermagazin benutzt und nach einem Artillerietreffer stark beschädigt. Im Griechischen Unabhängigkeitskrieg (1821–1829) wurde die Akropolis erneut mehrfach belagert und Schauplatz von Kriegshandlungen. Seit der griechischen Unabhängigkeit wurden zahlreiche Umarbeitungen der Akropolis vorgenommen, um den "ursprünglichen" antiken Zustand wiederherzustellen. Es sollten die Änderungen seit der nachrömischen Zeit – teilweise auch der römischen Zeit – rückgängig gemacht werden.

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