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Nano-Stradivari: Wissenschaftler lösen noch ein Rätsel berühmter Geigen

Chemiker in Italien haben eine "verborgene Beschichtung" auf Stradivari-Geigen entdeckt. Diese soll für den einzigartigen Klang der Musikinstrumente entscheidend sein. Möglich wurde die Entdeckung durch die Anwendung modernster Nanotechnologie.
Nano-Stradivari: Wissenschaftler lösen noch ein Rätsel berühmter GeigenQuelle: Gettyimages.ru © Oli Scarff

Die legendären Instrumente von Antonio Stradivari, dem Meister des virtuosen Geigenbaus aus Cremona, sind immer noch die teuersten auf dem Markt. Der "perfekten Geige" Stradivaris wird ein einzigartiger, einer Frauenstimme ähnlicher Klang nachgesagt, mit dem sich die Instrumente anderer Meister nicht vergleichen lassen. Seit Jahren versuchen Wissenschaftler, das Geheimnis des besonderen Klangs des italienischen Meisters zu entschlüsseln. Jetzt ist ein Team italienischer Wissenschaftler der Lösung des Rätsels einen Schritt näher gekommen.

Durch mehrere Experimente haben die Forscher ein für Stradivari-Instrumente charakteristisches Element entdeckt – eine verborgene zusätzliche Schicht unter der Lackierung. Der Meister trug diese offenbar vor dem Lack auf, um die kleinsten Unregelmäßigkeiten im Holz auszugleichen und so dessen Resonanz zu beeinflussen. Die Existenz dieser Schicht war bereits bekannt, aber es war unmöglich herauszufinden, was Stradivari zu deren Herstellung verwendete. Erst die moderne Nanotechnik hat diesen Einblick erlaubt. In einer Publikation für das Fachmagazin Analytical chemistry schreibt das Forscherteam:

"Es ist bekannt, dass alle Phasen der Herstellung die außergewöhnlichen ästhetischen und akustischen Eigenschaften der Instrumente von Stradivari beeinflussen. Dennoch bleiben einige Geheimnisse dieser Meisterwerke durch den Mangel an dokumentarischen Belegen verborgen. Insbesondere besteht kein allgemeiner Konsens über die Verwendung eines Grundanstrichs auf Proteinbasis, den der Cremoneser Meister direkt auf die Holzoberfläche auftrug."

Wissenschaftler haben die Geigen "San Lorenzo" aus dem Jahr 1718 und "Toscano" aus dem Jahr 1690 mit Synchrotronstrahlung untersucht. Die Methode der Infrarot-Fourier-Spektroskopie bestätigte, dass beide Instrumente diese verborgene Schicht tragen. Mit Hilfe der Nahfeld-Infrarotmikroskopie haben die Chemiker die Zusammensetzung des Materials bestimmt. Bei dem Verfahren werden mikroskopische Bilder von Oberflächen aufgenommen, indem diese parallel mit einem dünnen Infrarotstrahlenbündel bestrahlt werden, dessen Reflexion von den Bindungen zwischen den Atomen der in der Probe enthaltenen Moleküle abhängt.

Es stellte sich heraus, dass Stradivari zwischen dem Holz und dem Lack eine Schicht auf Basis von tierischen Proteinen anbrachte, die mikroskopisch kleine Klümpchen bildeten und damit die Unregelmäßigkeiten des Holzes ausfüllten, so die Forscher. Die Klümpchen seien derart klein, dass sie auf der Oberfläche mit herkömmlichen Mitteln nicht erkennbar seien. Da die Ergebnisse bei beiden Instrumenten die gleichen waren, musste Stradivari diese besondere Mischung bei allen seiner Instrumente verwendet haben, schlussfolgern die Wissenschaftler.

Die genaue Zusammensetzung der Proteine sei noch nicht bekannt, aber es scheint sich um Kollagen zu handeln, einen häufigen Bestandteil des tierischen Bindegewebes. Die Wissenschaftler fassen in ihrem Artikel zusammen:

"Die konstruktiven Besonderheiten der Cremoneser Geigenbauer an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert, die durch die Exzellenz von Antonio Stradivari beispielhaft repräsentiert wurden, haben uns die Möglichkeit gegeben, echte Meisterwerke zu bewundern und ihren außergewöhnlichen Klang über die Jahrhunderte hinweg zu hören. Es ist bekannt, dass sowohl die ästhetischen als auch die akustischen Eigenschaften mit allen Phasen des Herstellungsprozesses zusammenhängen, wobei die Endbearbeitungen eine entscheidende Rolle spielen. Insbesondere der Leim und der Grundanstrich sowie die Lackschichten beeinflussen das schwingungsmechanische und akustische Verhalten der Geigen."

Im Jahr 2016 waren Wissenschaftler in Taiwan bereits kurz davor, das Rätsel der Stradivari-Instrumente zu lösen. So entdeckten sie beispielsweise, dass sich das Holz, aus dem die Geigen hergestellt wurden, in seiner chemischen Zusammensetzung erheblich von dem moderner Geigen unterscheidet. Dann entdeckten die Wissenschaftler, dass Stradivari ein spezielles mineralisches Konservierungsmittel mit einer Mischung aus Kalzium, Kupfer, Aluminium, Natrium und Zink für das Holz seiner Geigen verwendete. Den Forschern zufolge wurde das Konservierungsmittel nicht einfach auf die Oberfläche des Materials aufgetragen, sondern diente als Lösung zum Tränken des Holzes. Für moderne Geigen wird keine ähnliche Technik verwendet. Das Holz wird heutzutage einfach mehrere Jahre lang an der Luft getrocknet, bevor es behandelt wird. Auch andere Geigenbauer, die im 18. und 19. Jahrhundert lebten, haben nach den neuesten Daten das Holz nicht so eingeweicht wie Stradivari.

Der im Jahr 1644 in Cremona geborene berühmte Musikinstrumentenbauer hatte in seinen 93 Lebensjahren schätzungsweise 5.000 verschiedene Instrumente gebaut und damit die Kunst des barocken Instrumentenbaus zur Perfektion gebracht. Stradivari, der ein absolutes Gehör besaß und in der Lage war, auch die kleinste musikalische Unvollkommenheit zu erkennen, gilt als Revolutionär und Innovator in der Kunst des Musikinstrumentenbaus. Er perfektionierte und veränderte das Aussehen und den Klang der Geige, indem er ihren Korpus verlängerte, und veränderte die Form des Cellos, indem er es verkleinerte. Dadurch wurde der Klang des Instruments klarer und es konnte solo und nicht mehr nur als Begleitinstrument eingesetzt werden.

Heute gibt es noch etwa 600 Instrumente von Stradivari. Viele davon sind von Legenden umgeben. Das Duport-Cello aus dem Jahr 1711 zum Beispiel ist das teuerste erhaltene Stradivari-Instrument. Der Legende nach erlitt das Cello einen kleinen Kratzer, der von Napoleons Sporen verursacht wurde, als er versuchte, das Instrument zu spielen. Die sogenannte Stradivarius-Gibson-Geige, unsagbar teuer, wurde ihrem Besitzer, dem polnischen Musiker Bronisław Huberman, zweimal gestohlen. Der erste Diebstahl fand im Jahr 1919 in einem Wiener Hotel statt. Beim zweiten Mal, im Jahr 1936, wurde die Geige aus Hubermans Umkleide gestohlen, als er gerade mit seinem zweiten Instrument auf der Bühne stand. Sie wurde ihrem Besitzer nie zurückgegeben. Der Geiger Julian Altman, der das Musikinstrument gestohlen hatte, behielt und versteckte es sein Leben lang. Erst auf dem Sterbebett gestand Altman seiner Frau, was er getan hatte. Heute gehört die Geige dem Musiker Joshua Bell, der das Musikinstrument für mehrere Millionen US-Dollar gekauft hat.

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