Meinung

Täter in der Krise: Die ich meine und die ich nicht meine

Jede Gesellschaft hat sie: die Trägen, Bequemen, die, die alles mitmachen. Sie denken nicht nach, sind unpolitisch, wollen in Ruhe gelassen werden und machen sich nur wenig Gedanken. Ihnen gilt dieser Text nicht.
Täter in der Krise: Die ich meine und die ich nicht meineQuelle: www.globallookpress.com © Christoph Hardt via www.imago-images.de

Von Tom J. Wellbrock

Es ist dumm, aber kein Verbrechen, der Tagesschau zu glauben. Wer mit dem Flaggschiff der deutschen Medien sozialisiert wurde und über Jahre oder Jahrzehnte inhaliert hat, was ihm vor die Nase gehalten wurde, ist fertig bearbeitet. Bedingt durch die Einseitigkeit und die professionelle Wiederholung der immer gleichen Erzählung, und gefördert durch eine schier grenzenlose politische Interessenlosigkeit, bleibt am Ende ein Klumpen Hirn übrig, das verkrustet und verschmiert seiner Passivität frönt, dabei aber recht gute Laune hat.

Die ich nicht meine

Wie gesagt, jede Gesellschaft hat diese Menschen in ihren Kreisen. Vielleicht geht es ohne sie auch nicht, weil sonst alle jeden Tag damit beschäftigt wären, die Gesellschaft umzukrempeln. Das hält ja kein Mensch aus, man muss auch mal hinnehmen, was ist, ohne ständig das Rad neu erfinden zu wollen. Die politische Interessenlosigkeit hat also durchaus ihre Vorteile, eine gewisse Anzahl an Menschen mit dieser Eigenschaft ist nötig, damit gemacht wird, was gemacht werden muss.

Das ist keine Abwertung, im Gegenteil. Die politische Interessenlosigkeit putzt Klos, sie sitzt aber auch in Firmenspitzen und schiebt haufenweise Umsätze vor sich her. Die politische Interessenlosigkeit liest Bücher über Pilze oder besteigt hohe Berge. Sie hat allerlei Interessen, nur die Politik gehört eben nicht dazu. Vielleicht war das bei den betroffenen Menschen schon von Geburt an so, vielleicht haben die Erfahrungen mit der Politik sie auch einfach weggeschwemmt von politischen Entscheidungen.

Es sei ihnen gegönnt.

Die ich meine

Es gibt auch die anderen. Die, die etwas zu sagen haben, die Prominenz. Ob aus Politik, Kunst, Kultur, Sport, Unterhaltung, Philosophie oder Soziologie. Sie stehen im Fokus, was sie sagen, hat Gewicht. Das ist längst nicht immer gleichzusetzen mit Klugheit oder Empathie, aber es wird öffentlich wahrgenommen und hat entsprechend Einfluss auf die Meinungsbildung.

In den letzten drei Jahren hat sich viel Prominenz geäußert: zu Corona, zum Ukraine-Krieg. Und sie hat dabei häufig eine Dummheit an den Tag gelegt, die jeden politisch uninteressierten Tagesschau-Konsumenten mit Leichtigkeit in den Schatten stellt. Das ist verantwortungslos!

Sie meine ich. Sie schauen nicht einfach die Tagesschau und essen weiter ihre Chips, ohne weiteres Unheil anzurichten. Sie lassen sich von der Tagesschau interviewen, bieten der Manipulation und der Desinformation eine Plattform, sie missbrauchen sich selbst als Manipulatoren für das gemeine Volk.

Sie sind gefährlich. Denn sie haben ihre Geschichten im Gepäck. Sie pflegten jahrelang das Image der kritischen Geister, derjenigen, die darauf achten, dass es in der Gesellschaft nicht zu ungerecht zugeht. Sie haben an die Toleranz appelliert und den Frieden gefordert. Sie haben gegen das Vergessen gesprochen, gesungen, geschrieben, gegen die Menschenverachtung. Und sie haben etwas bewirkt. Nicht im Großen, nicht durch die Herstellung des Weltfriedens. Aber sie haben all jene, die ihnen zugehört und zu ihnen aufgeblickt haben, eine Richtschnur zur Verfügung gestellt, an der sie sich orientieren konnten.

Sie haben etwas Gutes bewirkt, weil in ihren Worten der Friede mitschwang, der Wunsch, es möge besser werden, verständnisvoller, harmonischer, gerechter.

Sie haben versagt.

Armselige Figuren

Die Prominenz hat sich prostituiert. Sie hat sich in den Dienst einer unmenschlichen Politik gestellt, die ausgrenzt, diffamiert, beleidigt, Existenzen zerstört. Sie tat das freiwillig, die Prominenz aus Politik, Gesellschaft, Kunst, Kultur, Soziologie, Sport, Philosophie und Unterhaltung. Sie war sich der Wirkung ihrer Worte bewusst, hat die ebenfalls prostituierte Medienlandschaft mit Vergnügen und Menschenverachtung gefüttert.

So viele Menschen, die so viele Jahre auf der Seite des Guten standen oder zu stehen schienen, sie haben auf armselige und verabscheuungswürdige Weise mit allem gebrochen, was ihnen einmal heilig war. Sofern das überhaupt jemals der Fall gewesen ist. Sie haben darauf spekuliert, dass man sie belohnt, sie haben sich vor der Verachtung klein gemacht und der vermeintlichen Größe von Politik und Medien gehuldigt.

Heute ist vieles ein klein wenig anders geworden. Es gibt Stimmen, die lauter werden, die Aufarbeitung fordern und Konsequenzen. Konsequenzen! Die Täter bleiben unbehelligt, sie müssen keine Folgen fürchten, sie sind noch immer im Spiel. Die Regeln, sie haben sich geändert. Die Täter, die Hetzer, die Kriminellen, sie drehen es um, sehen sich nun in der Opferrolle. Sie wollen nichts falsch gemacht haben, sind nur der Wissenschaft gefolgt. Sagen sie.

Sie lügen! Sie alle hätten jederzeit einen anderen Weg einschlagen können. Niemand hat sie gezwungen, das zu tun, was sie taten und das zu sagen, was sie sagten. Als die Webseite #Ichhabemitgemacht ins Leben gerufen wurde, erbosten sie sich, empörten sich, sahen sich in eine Ecke gedrängt. Von "Menschenjagd" war die Rede, und wenn man das hört, steigt die Übelkeit hoch.

Wie können sie nur! Wie können sie die Frechheit besitzen, aus sich Opfer zu machen. Sie waren und sind die Täter, viele von ihnen dürften nicht einmal dann um Verzeihung bitten, wenn sie selbst es wollen würden. Die, die für die unzähligen verletzten und traumatisierten Kinderseelen verantwortlich sind – ihre Bitte um Verzeihung wäre eine Unverschämtheit, die nur noch dadurch überboten wird, dass sie keinen Versuch unternehmen, etwas zu reparieren oder zumindest Schadenbegrenzung zu betreiben.

Wie bittet man einen alten Menschen um Verzeihung, der einsam und zutiefst traurig und depressiv sterben musste? Es geht nicht. Zu viele Dinge können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Zu viele Dinge werden schlimmer, und wir wissen noch gar nicht, in welch einem Ausmaß. Die "neue Normalität", die der heutige Kanzler Scholz schon kurz nach Bekanntwerden des Virus ausgerufen hat, sie hat Bestand. Sie wirkt in die Gegenwart und in die Zukunft hinein, die neue Normalität erzeugt jeden Tag neuen Schmerz, neue Wunden, die nicht heilen werden.

(Fast) Keine Namen!

In diesem Text habe ich bewusst keine Namen genannt. Es wäre nicht fair, nicht fair gegenüber denen, die in der Aufzählung fehlen würden, weil ich sie vergessen habe. Die Namen der prominenten Täter sind ohnehin bekannt. Aber eine andere Frage hat mich bei der Beschäftigung mit diesem Text umgetrieben: Die Frage des Werkes von Künstlern.

Steht es mir zu, beispielsweise dem musikalischen Werk eines Künstlers meine Wertschätzung zu entziehen? Es ist vor all dem Grauen der letzten drei Jahre entstanden, es hat eine Bedeutung, die über das Individuum des Künstlers hinausgeht und zeitlos sein kann, wenn es hochwertig genug ist.

Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich keinem Werk die Wertschätzung entziehen werde. Und dennoch hat sich meine Beziehung zu dem einen oder anderen Werk verändert, meine Beziehung zu den daran beteiligten Künstlern.

Mir fallen zwei Beispiele ein: "Freiheit" von Marius Müller-Westernhagen und "Kristallnaach" von BAP. Beide Songs gehörten für mich mein Leben lang zu meiner Geschichte, beide Songs drückten etwas aus, das in mir eine tiefe Verbundenheit erzeugt hat. Ich kann sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr hören, weil es mich zerreißt, weil aus der inneren Verbundenheit eine schmerzhafte Distanz geworden ist.

Etwas in mir hofft auf Folgendes: Mögen beide Songs im Laufe der Zeit wieder die Botschaft aussenden können, die sie mir bedeutet haben. Mögen Menschen in Zukunft den Sinn und die Warnungen dieser Songs verstehen und ihre inneren Werte danach ausrichten, sich an ihnen orientieren, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Und mögen irgendwann die, die diese Songs einst geschrieben und gesungen haben, in Vergessenheit geraten. Mögen die Menschen mit pochenden Herzen die Songs hören und dabei längst und endgültig vergessen haben, wer sie geschrieben hat. Weil das Wissen über den Künstler das Werk diskreditieren würde.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs "neulandrebellen".

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