Nordamerika

Überwachung unbegrenzt: NSA-Direktor drängt US-Kongress zu Verlängerung umstrittener 9/11-Gesetze

Ende des Jahres läuft in den USA ein umstrittenes Gesetz zur Überwachung von ausländischen Bürgern aus. Und zwar jenes, das die Grundlage für die Enthüllungen von Edward Snowden lieferte. Die US-Geheimdienste hoffen nun auf eine Verlängerung der Überwachungsinitiative. Führende Republikaner und Datenschützer lehnen das jedoch ab.
Überwachung unbegrenzt: NSA-Direktor drängt US-Kongress zu Verlängerung umstrittener 9/11-GesetzeQuelle: www.globallookpress.com © Rod Lamkey - CNP

Der Direktor der NSA, der Nationalen Sicherheitsbehörde der USA, Paul Nakasone hat am Donnerstag den US-Kongress dazu aufgerufen, die bereits eingeräumten weitreichenden Befugnisse der US-Spionagebehörden zur Überwachung jeglicher Kommunikation angesichts der mit technischem Fortschritt einhergehenden wachsenden Zahl an Bedrohungen zu stärken. Dies sei unerlässlich, um Terrorismus, Cyberangriffe und andere Bedrohungen zu vereiteln, mahnte der NSA-Chef, der in Personalunion auch General und Oberbefehlshaber des United States Cyber Command (USCYBERCOM) als ein teilstreitkraftübergreifendes Funktionalkommando der US-Streitkräfte mit Sitz im Fort Meade ist.

US-Medienberichten zufolge machte Nakasone seine Ausführungen auf einer virtuellen Sitzung des Privacy and Civil Liberties Oversight Board (PCLOB). Das PCLOB wurde 2004 vom US-Kongress als Reaktion auf eine Empfehlung des Berichts der 9/11-Kommission eingerichtet und 2007 in eine eigenständige Behörde umgewandelt. Aufgabe dieser Behörde ist die Sicherstellung einer "angemessenen" Berücksichtigung aller Belange des Schutzes der Privatsphäre und der bürgerlichen Freiheiten in den Vereinigten Staaten bei der Ausarbeitung und Umsetzung aller Gesetze, Verordnungen und Strategien der Exekutive im Zusammenhang mit dem "Kampf gegen den Terror".

Die in der Sitzung gegenüber dem Komitee vorgebrachte Forderung des NSA-Direktors bietet nun einen Vorgeschmack auf den zu erwartenden intensiven politischen Kampf um die Erneuerung des Abschnitts 702 im Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA), der Ende des Jahres auslaufen würde. Der FISA ist ein Gesetz, das den US-Geheimdiensten weitreichende Befugnisse zur Überwachung von im Ausland befindlichen Personen einräumt.

Nach dem FISA-Abschnitt 702 sind US-amerikanische "Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste" bisher nämlich dazu angehalten, den US-Sicherheitsbehörden Zugang zu den personenbezogenen Daten von "Nicht-US-Personen" zu gewähren, d.h. von Personen, die weder US-Bürger noch in den USA ansässig sind. Jene Überwachungsanordnungen müssen jedoch nicht zwingend auf ein einzelnes Ziel ausgerichtet sein, wie Edward Snowden bereits im Jahre 2013 enthüllte.

Vielmehr erlauben sie den Sicherheitsbehörden – dank Programmen wie PRISM und Upstream collection – ein äußerst komplexes und pauschales Überwachungsprogramm. Dieses Vorgehen führt aber auch dazu, dass "gelegentlich" auch E-Mails und Anrufe von US-Amerikanern erfasst werden. Dieser Umstand ist in den USA insbesondere unter Verfechtern von bürgerlichen Freiheiten äußerst umstritten. Doch auch unter US-Politikern ist der einst parteiübergreifende Konsens zugunsten erweiterter Überwachungsbefugnisse in den Jahren nach dem 11. September 2001 einer wachsenden Skepsis gewichen. Besonders bei einigen Republikanern, die glauben, dass US-Spionagebehörden jene Befugnisse in der Vergangenheit unberechtigterweise dazu nutzten, um dem früheren US-Präsidenten Donald Trump zu schaden.

Nakasone argumentierte am Donnerstag jedoch, das Gesetz habe "eine überragende Rolle beim Schutz unserer Nation" gespielt. "Wir haben dank 702 Leben gerettet". So habe das Gesetz unter anderem die Bekämpfung diverser Ransomware-Bedrohungen ermöglicht, einschließlich solcher, die sich gegen die kritische Infrastruktur der USA richteten. Aber auch Abwehrmaßnahmen gegen Operationen feindlicher Länder, die wiederholt versuchten hätten, sensible militärische Informationen der USA zu stehlen.

Zwar ist der politische Kampf um die Verlängerung des umstrittenen Gesetzes noch nicht entbrannt, aber zu erwarten. Da die neu gewählte republikanische Mehrheit im US-Repräsentantenhaus aller Voraussicht nach jedoch versuchen wird, sich näher mit den Umständen zu befassen, die letztlich zu den Ermittlungen der Bundesregierung gegen den vorigen US-Präsidenten Donald Trump und seine Mitarbeiter führten, könnte sich die Debatte um Abschnitt 702 zum zentralen Streitpunkt zwischen der "Grand Old Party" (den Republikanern) und den nationalen Sicherheitsbehörden entwickeln. 

Die NSA-Chefjuristin April Doss und der leitende Berater des FBI Mike Herrington für die Wiedergenehmigung des Abschnitts 702 nahmen ebenfalls an der virtuellen Sitzung des Gremiums teilnahmen. Ähnlich wie NSA-Chef Nakasone zuvor auch, stellten sie gegenüber dem Komitee überwiegend die mit dem Gesetzespaket einhergehenden Vorteile für Überwachungsbehörden in den Vordergrund, äußerten sich bei Nachragen gleichzeitig aber nur vage zu den Einzelheiten der Operationen, die das Gesetz bisher ermöglicht hatte. Herrington erklärte diesbezüglich lediglich, das Gesetz sei "wesentlich und wichtig" für die Identifizierung von US-Bürgern als Opfer ausländischer Geheimdienstoperationen und Cyberverbrechen.

Während die nationalen Sicherheitsbehörden auf eine Verlängerung der Geltungsdauer des Abschnitts 702 drängen, fordern hingegen Befürworter des Datenschutzes in den USA mehr Informationen darüber, wie und wann das Gesetz angewandt wurde und wird. "Wir brauchen tatsächlich mehr Informationen darüber, wie in welchem Ausmaß das Gesetz Anwendung findet, um gegebenenfalls angemessen eingrenzen zu können, welche Art von Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen", forderte Jeramie Scott, Chefsyndikus der US-Datenschutzorganisation Electronic Privacy Information Center, auf der Konferenz.

"Für die Öffentlichkeit sind das Ausmaß von Cyberangriffen, die Auswirkungen auf die Privatsphäre und die bürgerlichen Freiheiten im Moment noch eine Art Blackbox."

Somit zeigten sich die US-Geheimdienste während der Debatte am Donnerstag zwar grundsätzlich scheinbar offen für eine Diskussion über Reformen. Gleichzeitig verwiesen sie aber darauf, dass die Beibehaltung der Wirksamkeit der Behörde oberste Priorität habe. "Es wäre ziemlich undurchführbar, jedes Mal, wenn es einen Cybervorfall gibt, die Gesamtheit unserer cyberbezogenen Ermittlungen zu überprüfen", betonte Herrington. "Selbst wenn man nur diejenigen in Betracht zieht, die die Anfrageberechtigung erfüllen."

Cindy Cohn, die Vorsitzende der Electronic Frontier Foundation als Nichtregierungsorganisation, die sich für Grundrechte im Informationszeitalter einsetzt, verwies vor dem Ausschuss darauf, dass Menschen in der ganzen Welt aufgrund dieses Gesetztes bereits die Möglichkeit verloren hätten, "ein privates Gespräch über digitale Netzwerke zu führen". Cohn bemängelte, dass mit dem umstrittenen Abschnitt 702 eine Massenüberwachungsinfrastruktur möglich sei, die die gesamte Kommunikation der Menschen der Überprüfung durch die NSA unterwerfe.

Es wird dennoch erwartet, dass die Mitglieder im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses und andere Verfechter der "Nationalen Sicherheit" darauf drängen werden, die Verlängerung der geltenden Ermächtigung über dieses Jahr hinaus zu unterstützen. Doch selbst sie räumten vor dem Gremium am Donnerstag ein, dass die auf den Abschnitt 702 zurückgehenden Befugnisse in der Vergangenheit teils auch missbraucht wurden. "Es gibt ernsthafte und berechtigte Bedenken", sagte der republikanische Abgeordnete Mike Gallagher in einem Interview in dieser Woche. "Ein Teil des Erneuerungsprozesses besteht darin, Reformen umzusetzen, die den Menschen die Gewissheit geben, dass es in Zukunft keinen Missbrauch mehr geben wird."

Bereits im Dezember 2019 hatte der Generalinspekteur des Justizministeriums festgestellt, dass das FBI dem Foreign Intelligence Surveillance Court, einem US-Bundesgericht, das die Überwachungsaktionen der nationalen Auslandsgeheimdienste regeln soll, wichtige Informationen vorenthalten hatte. Damals ging es um den Antrag für Durchsuchungsbefehle zur Überwachung der Kommunikation von Carter Page, einem Berater der Trump-Kampagne. Der Generalinspekteur bemängelte seinerzeit insbesondere das Ausmaß, in welchem sich die FBI-Agenten während dieses Verfahrens auf unbestätigte Behauptungen eines ehemaligen britischen Spions gestützt hatten.

Der Oberste Richter am Intelligence Surveillance Court erteilte dem FBI daraufhin eine ungewöhnliche Rüge, indem er kritisierte, dass die Behörde bei der Einreichung der Abhöranträge "ungesicherte" Behauptungen aufgestellt und zudem versäumt habe, andere Informationen zu liefern, die die Argumente der Regierung für die Überwachung entkräftet hätten. Als Reaktion auf die Untersuchung kündigte das FBI dann letztlich eine Reihe von Verfahrensänderungen an.

Bereits im Jahr 2020 hatte der US-Kongress drei Bestimmungen des Patriot Act auslaufen lassen, und zwar Bestimmungen, die sowohl das FBI als auch das Justizministerium als wesentlich für die nationale Sicherheit bezeichnet hatten. Darunter war eine Bestimmung, die es den Ermittlern erlaubte, Personen auch dann zu überwachen, wenn ihnen keinerlei Zugehörigkeit zu einer internationalen Terrororganisation nachgewiesen werden konnte. Ein Gesetzentwurf zur Verlängerung dieser Befugnisse passierte zwar seinerzeit noch den Senat, allerdings sahen sich die Demokraten damals gezwungen, das Gesetz zurückzuziehen, nachdem Trump und die Republikaner im Repräsentantenhaus sich gegen die Maßnahme gewandt und somit letztlich für die endgültige Streichung der umstrittenen Bestimmungen gesorgt hatten.

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