Europa

Warum der Westen den Dialog zwischen Moskau und Kiew nicht unterstützen möchte

Ziel der westlichen Staat sei es, Russland im Ukraine-Konflikt so viel Schaden wie möglich zuzufügen. Kiew ist in Verhandlungen gegenüber Russland kein selbständiger Akteur, sondern komplett den Interessen des Westens ausgeliefert.
Warum der Westen den Dialog zwischen Moskau und Kiew nicht unterstützen möchteQuelle: www.globallookpress.com © CHROMORANGE / Bilderbox

Eine Analyse von Polina Duchanowa, Aljona Medwedewa und Alexei Latischew

Die ukrainische Delegation ist nicht unabhängig in ihren Verhandlungen mit Russland, weil sie von den USA und Großbritannien "geführt" wird, sagte der russische Außenminister Sergei Lawrow. Gleichzeitig betonte er, dass sich der Westen zum Ziel gesetzt habe, Russland zu besiegen. Deshalb sei es sinnlos, den Dialog auf die Ebene von Washington und London zu verlagern, zumal diese keine Vorschläge unterbreiteten. Vielmehr ist die Ukraine selbst für sie "Verbrauchsmaterial", was durch ihre mangelnde Bereitschaft, Kiew irgendwelche Garantien zu geben, belegt wird. Seinerseits erklärte der stellvertretende russische Außenminister Andrei Rudenko, die Ukraine habe sich faktisch aus dem Verhandlungsprozess zurückgezogen. Dies bestätigte auch Michail Podoljak, Berater des Leiters des ukrainischen Präsidialamtes. Die Experten wiesen darauf hin, der Westen sei nicht an einem Dialog zwischen Kiew und Moskau interessiert, da dies nicht seiner Politik der Schwächung Russlands entspreche.

Die Ukraine vertritt in ihren Verhandlungen mit Russland über keine unabhängige Position, weil sie als Untergebener der USA und des Vereinigten Königreichs agiert. Darüber sprach der russische Außenminister Sergei Lawrow am 17. Mai auf dem Bildungsmarathon "New Horizons".

"Wir erhalten über verschiedene Kanäle die Information, dass die ukrainischen Gesprächspartner von Washington und insbesondere von London 'geführt' werden, die ihren Handlungsspielraum regulieren", sagte er.

Ein Beweis dafür sei der abrupte Standpunktwechsel der ukrainischen Seite nach den Gesprächen in Istanbul, bei denen Russland zum ersten Mal nach allen bisherigen Begegnungen ein "Papier" überreicht worden war, das Grundsätze enthielt, "auf deren Grundlage die russische Seite bereit war, das Abkommen weiter auszuarbeiten".

"Buchstäblich einen Tag später machte die ukrainische Seite einen Rückzieher. Im Vorfeld kam es zur Provokation durch die inszenierte Situation in der Stadt Butscha. Der Westen forderte unmittelbar nach Butscha eine Untersuchung, verhängte aber noch vor der Untersuchung ein weiteres Sanktionspaket. Eindeutig war dies ein Indiz, dass der ukrainische Dilettantismus, der sich darin zeigte, uns akzeptable Grundsätze für die Erzielung von Vereinbarungen zu geben, im Westen nicht unterstützt wurde", erklärte der Minister.

Zugleich wies Lawrow darauf hin, dass es sinnlos sei, die Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine auf die Ebene Londons und Washingtons zu verlagern, da diese zusammen mit Brüssel "zu ihrem Ziel erklärt haben, Russland zu besiegen".

"Außerdem haben weder London noch Washington noch der Westen als Ganzes Vorschläge unterbreitet", unterstrich Lawrow.

In Anbetracht dessen betonte er, dass der heutige Konflikt nicht auf der Ebene Russland-Ukraine, sondern auf der Ebene Russland-Westen ausgetragen werde. Für die westlichen Länder sei die Ukraine als solche ohne Bedeutung, weshalb man sie als "Verbrauchsmaterial" im hybriden Krieg gegen Russland betrachte, so der russische Außenminister. Dafür spreche zudem die Tatsache, dass der Westen Kiew keine Sicherheitsgarantien gewähre.

"Unseren Angaben zufolge hat die Ukraine vom Westen keine Zusicherungen erhalten, derartige Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu unterzeichnen. Was eigentlich nur bedeutet, dass die Ukraine für den Westen nur ein Sprungbrett ist, um die Russische Föderation permanent zu reizen und unsere Sicherheit zu gefährden", erklärte der Minister.

Verwässerung der Bestimmungen

Unterdessen verkündete am selben Tag der stellvertretende russische Außenminister Andrei Rudenko auf der zweiten zentralasiatischen Konferenz des internationalen Diskussionsclubs "Waldai", dass derzeit keine Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine stattfinden. Kiew gab auf den russischen Vertragsentwurf bisher keine Antwort.

Dabei gab der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, noch am 20. April bekannt, Russland habe das Dokument an die Ukraine übergeben. Kiew bestätigte den Empfang noch am selben Tag.

In einem späteren Interview mit TASS betonte Rudenko, dass die ukrainische Seite nun versuche, "die Bestimmungen zu verwässern, auf die man sich anscheinend bereits in früheren Phasen geeinigt hatte".

Die Einstellung des Dialogs wurde auch vonseiten der Ukraine bestätigt. Der Berater des Chefs des Präsidialamtes, Michail Podoljak, erklärte während eines Telethons am 17. Mai, der Grund dafür sei das Ausbleiben jeglicher Fortschritte nach dem Kommuniqué von Istanbul. Jedoch zeigte er sich zuversichtlich, dass "jeder Krieg am Verhandlungstisch endet" und der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij diesen Prozess moderieren wird. Podoljak unterstrich ebenfalls, dass Kiew nicht bereit sei, irgendwelche Territorien an Russland abzutreten. Nach seiner Meinung ist "jedes Minsk-2 ein aufgeschobener Krieg".

Der ukrainische Präsident selbst konnte sich noch nicht für das Format der Verhandlungen mit Russland entscheiden. So sagte er in einem Interview mit dem italienischen Fernsehsender Rai 1 am 13. Mai, er sei zu einem Dialog bereit, aber nur direkt mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, "ohne irgendwelche Mittelsmänner". Gleichzeitig meinte er, der Dialog sei "nicht möglich ohne eine harte und starke Position der ausländischen Partner".

Potenzielle Eskalation

Dass der Westen den Finger am Puls der Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine hat, lässt sich an den Äußerungen der Vertreter der USA und des Vereinigten Königreichs selbst ablesen. Unter anderem veröffentlichte die Times am 31. März einen Bericht, in dem Quellen in der britischen Regierung behaupteten, London sei gegen ein ihrer Ansicht nach zu frühes Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine. Den Angaben zufolge sei die Regierung der Ansicht, dass man zunächst eine möglichst starke militärische Position einnehmen sollte, bevor man über den Frieden verhandelt.

Später sprachen die USA über die mangelnden Aussichten für einen russisch-ukrainischen Dialog. Dies erklärte namentlich die Leiterin des nationalen Geheimdienstes, Evryl Haynes, bei einer Anhörung des Senatsausschusses für Streitkräfte am 10. Mai.

"Sofern Russland und die Ukraine daran glauben, dass sie auf militärischem Wege Fortschritte erzielen können, sehen wir zumindest kurzfristig keinen gangbaren Weg zu Verhandlungen", sagte sie.

Haynes äußerte ferner die Meinung, dass sich in den nächsten Monaten die Situation in der Ukraine "in eine unvorhersehbarere Richtung entwickeln und möglicherweise zu einer Eskalation führen könnte".

Die US-Außenbeauftragte Christina Quinn sagte ihrerseits in einem Interview mit ICTVs Facts am 14. Mai, Washington könne ein Friedensabkommen zwischen Moskau und Kiew nur unterstützen, wenn es für die Ukraine akzeptabel sei.

"Es kann keine diplomatische Lösung geben, bei der die Ukraine verliert und Russland gewinnt. Das ist inakzeptabel … Ich wünsche mir, dass Russland und die Ukraine ein Friedensabkommen erzielen, welches die Ukraine als akzeptabel anerkennen würde", unterstrich sie.

"Völlig unselbstständig"

Die Abhängigkeit Kiews von westlichen Partnern zur Frage einer Friedenslösung mit Russland wird auch durch Gesprächspartner von RT bestätigt.

"Ohne Ratschläge aus London und Washington wird Kiew nichts unternehmen, weil sie völlig unselbstständige Akteure sind, die keine Entscheidungen treffen und ihre eigenen Streitkräfte nicht befehligen können. Dass die ukrainische Seite die Verhandlungen ausgesetzt hat, ist ihr eigenes Problem, denn sie erhielten viele verschiedene Optionen und man versuchte sogar, der Gegenseite entgegenzukommen", sagte der Experte des Instituts für GUS-Länder, Aleksandr Dudschak, gegenüber RT. Allerdings liege es nicht im Interesse des kollektiven Westens, dass dieser "selbstmörderische Krieg" aufhöre.

Auch der Rechtsgelehrte Wadim Jegorow betont, dass die Ukraine von den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten nur als Waffe gegen Russland gesehen wird. "Die Ukraine ist ein Tauschobjekt, ein Schießplatz beim Kampf gegen Russland", so der Analyst.

Im gleichen Sinne äußerte sich der Politologe Jurij Bondarenko und unterstrich, dass Kiew in seiner Verhandlungsposition abhängig sei. In erster Linie drängt der Westen die Ukraine aus geopolitischen Interessen zur Fortsetzung der Konfrontation mit Russland, ohne Rücksicht auf den Preis, den Kiew dafür zu zahlen haben wird, meint der Experte.

"Dem Westen sei es wichtig, Russland so weit wie möglich zu schwächen. Das Wohlergehen der Ukraine sei in diesem Zusammenhang absolut uninteressant. Der Westen ist bereit, weiterhin Milliarden für Kiew bereitzustellen, sofern es ein Druckmittel gegen Russland bleibt. Deswegen denkt man nicht an irgendwelche Verhandlungen", erklärte der Experte im Gespräch mit RT.

Ferner bemerkte er, es sei sinnlos, dass die Ukraine von den westlichen Ländern Sicherheitsgarantien erwarte. Nach Auffassung Kiews müssten diese fast denjenigen der NATO entsprechen.

"Garantien zu gewähren, die dem fünften Artikel der NATO-Charta entsprechen, wird allerdings nicht möglich sein. Damit wäre ein militärischer Konflikt mit Russland verbunden, den niemand im Westen haben möchte. Denn darüber, dass ein solcher Krieg, geschweige denn ein globaler Atomkrieg, gewonnen würde, gibt es keinerlei Gewissheit", resümiert Bondarenko.

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