Deutschland

Erinnerungslücken von Erzbischof Woelki: Missbrauchsliste schreddern, Täternamen verdrängen

Unter dem Vorwand des Datenschutzes wurde 2015 im Erzbistum Köln eine Namensliste mit Priestern, denen sexuelle Gewalt vorgeworfen wurde, geschreddert. Der dafür verantwortliche Erzbischof Woelki kann sich trotz Kenntnis des brisanten Papiers nun vermeintlich nicht mehr an die Namen erinnern.
Erinnerungslücken von Erzbischof Woelki: Missbrauchsliste schreddern, Täternamen verdrängen© picture alliance / Kontributor

Rainer Maria Kardinal Woelki ist seit 2014 Erzbischof von Köln, dem ältesten und mitgliederstärksten Bistum im deutschsprachigen Raum. Woelki gerät nun erneut in Erklärungsnot zum Thema verhinderter oder verschleppter Aufklärung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Diesmal betrifft es einen Vorgang rund um die Vernichtung einer Liste mit Namen von Priestern, denen sexuelle Gewalt vorgeworfen wurde. 

Den Erzbischof ereilt regelmäßige Kritik für seine Verantwortung in Vorgängen hinsichtlich zögerlicher wie auch unterlassener Aufklärungsmaßnahmen. Jetzt wurde bekannt, dass Woelki nach Durchsicht der belastenden Liste den Auftrag erteilte, diese vernichten zu lassen, so Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Dieser Vorgang aus dem Jahr 2015 sei dabei lediglich aus "Datenschutzgründen erfolgt". Auch wurde jetzt bekannt, dass der Erzbischof zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Maßnahmen gegenüber den ihm dank der Liste bekannten Kollegen und Kirchenmitgliedern in die Wege leitete. Dazu heißt es in dem Artikel:

"Der Erzbischof habe 2015 keine Maßnahmen gegen die auf der Liste benannten Personen unternommen, da bereits die Fachstellen des Erzbistums mit den Fällen befasst gewesen seien und die Liste abgearbeitet gewesen sei."

Laut den vorliegenden Erkenntnissen waren über die vernichtete Excel-Tabelle allen Beteiligten die Namen der beschuldigten Geistlichen bekannt, ebenso wie "die jeweilige Zahlung an Missbrauchsbetroffene". Weitere Informationen "zu den konkreten Vorwürfen und zum Verfahrensstand" habe das Dokument jedoch nicht enthalten. Zu den unterlassenen Maßnahmen Woelkis heißt es seitens des Erzbistums:

"Kardinal Woelki vertraute auf die ordnungsgemäße Arbeit der zuständigen, unabhängigen und qualifizierten Interventionsstelle."

Auf eine aktuelle Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) an das  Erzbistum Köln, ob Woelki zumindest Täternamen von der Liste benennen könnte, hieß es in der Antwort:

"Herr Kardinal Woelki hat keine Erinnerung daran, welche Namen überhaupt auf der vor mehr als sieben Jahren eingesehenen Liste standen. Er weiß auch nicht, ob die Liste hinsichtlich der Priester, denen Missbrauch vorgeworfen wurde, vollständig war."

Das aktuelle Interesse und dementsprechende Anfragen resultieren aus dem jüngsten Missbrauchsskandal vom Juli 2022. Denn vor einigen Wochen wurde bekannt, dass "das Kölner Erzbistum Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren 'Sternsinger'-Chef Winfried Pilz erst sehr spät an das Bistum Dresden-Meißen weiterleitete, wo der Priester seinen Ruhestand verbrachte". Woelki habe bei Beginn seiner Tätigkeit im Jahre 2014 demnach nichts von der Causa Pilz gewusst, da "die Informationsweitergabe unter seinem Vorgänger Joachim Meisner versäumt worden sei". Woelki könne sich nach Angaben des Erzbistums aktuell auch nicht mehr daran erinnern, "ob sich der Name Pilz auf der Liste von 2015 befand".

Im März 2021 wurde im Rahmen der Ermittlungen und in dem Aufarbeitungsgutachten einer Kanzlei, die mehrere Missbrauchsopfer vertritt, der Name Winfried Pilz in "anonymisierter Weise" nachweislich genannt. Zu diesem Zeitpunkt bestätigte Woelki laut der FAZ zumindest, dass er "den Namen eines mit ihm befreundeten beschuldigten Priesters sowie eine relativ hohe Anerkennungszahlung in der Tabelle gelesen hatte." Dazu heißt es in dem Artikel:

"'Diese Feststellung habe ihm den Boden unter den Füßen weggezogen', schrieben die Gutachter über Woelkis Aussage – und: 'Dies sei für ihn ein furchtbarer Augenblick gewesen'."

Auf eine aktuelle Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa), ob sich Woelki "denn nicht nach der Identität aller in dem Gutachten (aus dem März 2021) anonym aufgeführten Tatverdächtigen erkundigt habe", antwortete das Erzbistum der dpa, dass das Gutachten "mehr als 200 Beschuldigte" beinhalte. Und weiter:

"Kardinal Woelki hat sich nicht nach der persönlichen Identität aller mehr als 200 Beschuldigten erkundigt, sondern die Missbrauchsaufarbeitung und Prävention in die qualifizierten Hände seiner fachlich versierten Spezialisten gegeben."

In dem Gutachten, dem sogenannten "Gercke-Report" vom März 2021, heißt es laut der FAZ: Bei der Durchsicht der vom Generalvikariat zur Verfügung gestellten Dokumente seien "die Gutachter auf zahlreiche Listen mit Namen, die teilweise eindeutig im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger standen, gestoßen".

Der oberste Katholik von Bonn, Stadtdechant Wolfgang Picken, erklärte zu den jüngsten Erkenntnissen der vernichteten Liste, "man frage sich, warum Woelki eine solche Liste habe erstellen lassen, wenn er sich anschließend nicht näher mit ihr befasst habe", so Angaben der dpa. Ähnliches Unverständnis löse zudem der Hinweis aus, "dass ausgerechnet diese Liste verloren gegangen sei". Picken wird mit den Worten zitiert:

"Wenn man solche Eigenartigkeiten nicht erklärt oder sich für sie entschuldigt, setzt man sich dem unnötigen Verdacht aus, man habe ein wichtiges Dokument bewusst verschwinden lassen."

Der Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers kritisierte bereits im Juli dieses Jahres den Umgang mit der Causa Pilz durch das Erzbistum Köln. Dieser zeige "leider erneut, dass beim Thema Transparenz und Kommunikation insbesondere bei Fällen sexuellen Missbrauchs weiterhin dringender Verbesserungsbedarf besteht".

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