Deutschland

"Unsolidarisch in mehrfacher Hinsicht": Berlin schiebt Arbeit mit Ausreisepflichtigen auf Länder ab

Die Berliner Innenverwaltung handelt entgegen der im Frühjahr beschlossenen Vereinbarung der Innenminister der Länder und hat die meisten der anstehenden Abschiebungen offiziell ausgesetzt. Bei den Ländern stößt das Vorgehen zunehmend auf Kritik. Zumal Berlin offensichtlich ziemlich scheinheilig agiert.
"Unsolidarisch in mehrfacher Hinsicht": Berlin schiebt Arbeit mit Ausreisepflichtigen auf Länder abQuelle: www.globallookpress.com © HannoverReporter.de via www.imago-images.de

Die Rechtslage ist klar, zumindest auf dem Papier: Wessen Asylgesuch rechtskräftig abgelehnt worden ist, der muss Deutschland verlassen. In der Praxis gelingt es Bundesländern wie Bayern jedoch besser als Berlin, dies auch umzusetzen. Nicht zuletzt deshalb sorgt das Thema seit einiger Zeit wieder für Streit unter den einzelnen Ländern. Während eine überwiegende Mehrheit auf die im Frühjahr beschlossene Vereinbarung der Innenminister der Länder beharrt, sich "innerhalb der Bundesregierung und auf Ebene der EU erneut und nachdrücklich für eine Verstärkung der bisherigen Ansätze gerade bei rückkehrpolitisch besonders unkooperativen Herkunftsländern einzusetzen", beharrt die rot-rot-grüne Regierung in Berlin derzeit hingegen darauf, die meisten Abschiebungen aus humanitären Gründen nicht umsetzen zu können.

Das Resultat: Eigentlich ausreisepflichtige Asylbewerber werden in Berlin über die Wintermonate vorerst weiterhin geduldet. Lediglich straffällig gewordene Asylanten werden weiterhin abgeschoben. Dieser Sonderweg Berlins sorgt jedoch für Chaos. Wie die Welt am Sonntag berichtet, wird der Hauptstadt insbesondere von der CDU und CSU vorgeworfen, mit dem Vorgehen gegen die nur wenige Monate alte einstimmige Vereinbarung unter den Ländern zu verstoßen. Ausnahmen, wie sie das Land Berlin derzeit vorsehe, dürfe es laut dieser nämlich nicht geben. Der Berliner Senat verweist dagegen auf eine im Koalitionsvertrag festgehaltene Bestimmung, wonach "im Winter auf Abschiebungen verzichtet werden soll, wenn Witterungsverhältnisse dies humanitär gebieten". 

Laut einem im Sommer erhobenen Lagebild von Bund und Ländern halten sich hierzulande derzeit immer noch rund 300.000 Menschen auf, die eigentlich zur Ausreise verpflichtet sind – doppelt so viele wie noch vor sieben Jahren. Die meisten dieser Menschen stammen demnach aus dem Irak, Syrien, Afghanistan und Nigeria. Darunter seien dem Bericht zufolge jedoch auch viele sogenannte "Geduldete", bei denen die Behörden Gründe sehen, die einer kurzfristigen Abschiebung entgegenstehen – etwa der Umstand, dass sich viele Herkunftsländer weigern, ihre Landleute wieder aufzunehmen – weshalb Rückführungen zumeist scheitern. Für manche Staaten, darunter Syrien und Afghanistan, gilt momentan zudem ein Abschiebestopp. Infolgedessen konnten von den Behörden im ersten Halbjahr 2022 lediglich knapp 6.000 ausreisepflichtige Ausländer in ihre jeweiligen Heimatländer abgeschoben werden.

Dass Berlin trotz der bereits ohnehin schon mageren Abschiebebilanz jetzt zusätzlich mauert, sorgt bei den anderen Bundesländern für Unmut. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisierte gegenüber der Welt etwa: "Die von Berlin praktizierte pauschale Aussetzung von Abschiebungen in der Winterzeit ist weder inhaltlich noch ordnungspolitisch oder rechtlich nachvollziehbar." Mit der Entscheidung, einen Großteil der Abschiebungen vorerst auszusetzen, erweise das Land Berlin "zudem der Akzeptanz der Bevölkerung für die Aufnahme wirklich schutzbedürftiger Menschen einen Bärendienst", so Hermann weiter. Armin Schuster (CDU), Innenminister von Sachsen, bemängelte hingegen, dass der Verzicht Berlins auf sämtliche Rückführungen unsolidarisch sei – "in mehrfacher Hinsicht". Aufgrund der Berliner Blockade habe Sachsen zuletzt beispielsweise eine Sammelrückführung nach Vietnam verschieben müssen.

"Damit setzt Berlin wieder einmal ein falsches Signal in der angespannten Migrationssituation und verstärkt diese sogar selbst."

Vor einigen Wochen etwa sollten 600 ausreisepflichtige Moldauer in ihre Heimat abgeschoben werden, um in Berlins Asylunterkünften dringend benötigten Platz für Ukraine-Flüchtlinge zu schaffen. Insbesondere Grüne und Linke hatten die Pläne angesichts des dort derzeit ebenso herrschenden Winterwetters stark kritisiert, woraufhin Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) die Abschiebung verhinderte. Scharfe Kritik an Sprangers Kurswechsel kam lediglich von der AfD. Fraktionschefin Kristin Brinker betonte, das Asylrecht solle vor politischer Verfolgung schützen, nicht vor Winterwetter. "Innensenatorin Spranger ist vor den Asyl-Lobbyisten von Grünen, Linken und dem linken Flügel ihrer eigenen Partei eingeknickt", so Brinker. Sie fügte hinzu:

"Den Schaden haben nicht nur die Berliner Steuerzahler, die Hunderte Ausreisepflichtige weiter finanzieren müssen. Leidtragende sind auch Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber mit tatsächlicher Aussicht auf Anerkennung, für die nicht genug Unterbringungsplätze vorhanden sind."

Einerseits ist es der von Berlin eingeschlagene Sonderweg, der zuletzt für heftige Diskussionen unter den Ländern sorgte. Gleichzeitig empören sie sich aber auch über die von den Verantwortlichen in der Hauptstadt an den Tag gelegte Scheinheiligkeit. So brüstet sich Berlin zwar mit seinem humanitären Kurs und unterbindet mit Verweis auf jenen viele der ursprünglich geplanten Abschiebungen. Allerdings werden diese nach Informationen der Welt letztlich jedoch doch vollzogen – nur eben nicht von Berlin, sondern von anderen Bundesländern aus. Über Umwege lässt die Hauptstadt also trotz ihrer Ankündigung weiter abschieben, bloß eben nicht in eigener Verantwortung.

Diesbezüglich sei von Bundesbeamten zu hören, schreibt die Welt weiter, dass Berlin anderen Bundesländern derzeit aktiv abzuschiebende Straftäter für deren Flüge anbiete. Der Sprecher der Berliner Innenverwaltung Thilo Cablitz verteidigte dieses Vorgehen auf Anfrage von Focus Online. Demnach sei es "durchaus üblich", so Cablitz, dass Bundesländer Abschiebungen für andere übernehmen. Der für die Bundespolizei zuständige Chef der Gewerkschaft der Polizei, Andreas Roßkopf, sieht dies jedoch anders. Gegenüber Focus Online verwies er darauf, dass Berlin die Hilfe anderer Länder während des von der Stadt ausgerufenen Abschiebestopps nur für Gefährder oder Straftäter nützen dürfe. Sollten sich darunter hingegen auch "normale" Abzuschiebende befinden, wäre dies zumindest "verwunderlich". Auch der Gewerkschaftsvorsitzende bemängelt den Sonderweg Berlins:

"Die Handhabung in Berlin ist überdenkenswert. Denn wir haben sowieso große Probleme mit den Herkunftsländern. Jegliche Verzögerung minimiert die Zahl der Abschiebungen weiter."

Doch ist es oftmals nicht nur auf die Herkunftsländer oder Berlin zurückzuführen, dass Ausreisepflichtige nicht konsequent abgeschoben werden. Auch verbündete EU-Länder stünden dem im Weg, berichtet die Welt. So verbiete Italien zum Beispiel Landungen von Chartermaschinen, in denen Menschen sitzen, die zuerst in Italien EU-Boden betreten haben und nun im Rahmen des "Dublin"-Abkommens zurückgebracht werden. Zudem hatte das Land im Dezember verlautbaren lassen, dass "Überstellungen (von Flüchtlingen) nach Italien ... zeitlich befristet storniert" würden.

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