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"À la guerre comme à la guerre": Russland greift zu Gegenmaßnahmen

Europa handelt in der Ukraine-Krise seit acht Jahren zum eigenen Schaden und zum alleinigen Nutzen der USA. Die Journalistin Anna Schafran findet, die Europäer zahlen damit den Preis für die US-amerikanische Besatzung, in die sie sich gefügt haben. Russland reagiere mit gezielten Gegensanktionen und erstreitet sich wirkliche Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit.
"À la guerre comme à la guerre": Russland greift zu GegenmaßnahmenQuelle: Gettyimages.ru © Christopher Furlong

Ein Analyse von Anna Schafran

Der russische Präsident Wladimir Putin hat einen Erlass über Vergeltungssanktionen gegen unfreundliche Staaten und internationale Organisationen unterzeichnet. Die Regierung hat nun zehn Tage Zeit, eine Liste von Organisationen und Privatpersonen zu erstellen, mit denen eine Zusammenarbeit in jeder Hinsicht, einschließlich der Bezahlung bereits erbrachter Leistungen, untersagt ist.

Es geht allein um den Schutz unserer Bürger, unserer Unternehmen und unserer Interessen. Ich bin sicher, dass wie schon bei der Sanktionsrunde im Jahr 2014 niemand Maßnahmen ergreifen wird, die unserer eigenen Wirtschaft mehr schaden als denjenigen, gegen die sich die Verbote und Einschränkungen richten. Weil es im Westen immer deutlicher und spürbarer wird, dass die Sanktionen gegen Russland in erster Linie die Europäer treffen – sowohl einzelne Bürger als auch ganze Länder. Und wir haben mit den Gegensanktionen noch gar nicht begonnen.

Das Schicksal Europas – ein eindringliches Beispiel für die ganze Welt – zeigt, wie ein  besetztes Gebiet heutzutage in der Realität aussieht. Nachdem es im Jahr 2014 offensichtlich wurde, dass ein weiterer sorgfältig orchestrierter "Volksaufstand" (diesmal in Kiew) keine gewöhnliche Umverteilung der Macht unter Oligarchen, sondern einen Übergang der Ukraine unter die unmittelbare Führung Washingtons brachte, versuchte man den Europäern mehr als ein- oder zweimal zu erklären, dass die Brutstätte der Instabilität zwischen Russland und der EU weder für Moskau noch für Brüssel von Vorteil sei, sondern ausschließlich für die USA.

Doch die Trägheit des Denkens und die erlernte Hilflosigkeit des europäischen Establishments verhinderten es, dass diese Erkenntnis in vollem Umfang durchdringt. Anstatt mit Russland gemeinsam darauf hinzuarbeiten, dass Kiew die Minsker Vereinbarungen umsetzt, die Ukraine föderalisiert und andere Maßnahmen ergreift, die dieses Land in einen normalen osteuropäischen Staat hätten verwandeln können (statt in ein antirussisches Aufmarschgebiet), hat die Europäische Union beschlossen, nichts zu tun und den ukrainischen Nazis freie Hand zu lassen.

Dabei kam das heraus, was herauskam. Acht Jahre lang pumpten die Angelsachsen die Ukraine mit Waffen voll, verhinderten auch nur den Gedanken an Frieden im Donbass, und Russland konnte all das schließlich nicht mehr ertragen und beschloss einen Krieg zu beenden, der bereits acht Jahre andauerte – doppelt so lange wie der Große Vaterländische Krieg.

Wäre die EU ein unabhängiges Gebilde gewesen, so hätte sie sich mit dem Ausdruck "äußerster Besorgnis" begnügt, zum Frieden aufrufend, und hätte dann ihren ganzen Einfluss auf Kiew geltend gemacht zur schnellstmöglichen Beendigung der Kämpfe, um den Flüchtlingsstrom und andere Bedrohungen für die eigene Wirtschaft und Sicherheit aufzuhalten. Stattdessen begann die EU nun ihrerseits die Ukraine mit Waffen auszustatten, dies gar zum Nachteil der eigenen Verteidigungsfähigkeit, auf Kosten der Arsenale europäischer Armeen.

Die dadurch unvermeidliche Verlängerung und Intensivierung der Kämpfe bedeutet mehr Flüchtlinge, sie bedeutet Probleme mit der Nahrungsmittelversorgung und sie bedeutet eine Verschlechterung der Beziehungen zu Russland, was bereits zu einem beispiellosen Preisanstieg in Europa geführt hat. Und wenn es zu einer Unterbrechung der Gaslieferungen kommt, wird dies zu noch größeren wirtschaftlichen Problemen führen. Wir erleben also, wie die Union von 27 Ländern Jahr für Jahr und Tag für Tag Entscheidungen trifft, die negative Auswirkungen für Einwohner dieser Länder mit sich bringen.

Wenden wir die bei Amerikanern so beliebte Enten-Formel (Duck Test) an: Wenn etwas wie eine Ente aussieht, wie eine Ente quakt und wie eine Ente schwimmt, dann handelt es sich auch sehr wahrscheinlich um eine Ente. Wenn die Europäische Union immer wieder Entscheidungen trifft, die nur den USA Vorteile verschaffen, dann ist sie ein besetztes Territorium, dessen Bevölkerung samt Bedürfnissen und Interessen für den Besatzer ohne Bedeutung ist. 

Großen Mut erfordern in dieser Situation die Bemühungen kleiner Länder wie Ungarn, dem selbstmörderischen Druck (der Besatzungsmacht) zu widerstehen und zu versuchen, ihre Bürger vor der drohenden Armut und ihre Wirtschaft vor dem Stillstand zu bewahren.

Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie vor Beginn der Militäroperation in der Ukraine als auch danach Jammer-Ökonomen aus dem liberalen Lager über Russlands Zwei-Prozent-Beitrag zur Weltwirtschaft heulten und darüber, dass die Sanktionen unweigerlich den Rubel zum Einsturz bringen würden, mit allen weiteren Folgen.

Doch bisher erleben wir das genaue Gegenteil: Der Lebensstandard sinkt nicht in Russland, sondern in Europa. Es gibt natürlich keinen Grund, übermütig zu werden, denn auch für uns wird es schwer werden – das ist unvermeidlich, wenn man einen starken und industriell fortgeschrittenen Gegner vor sich hat.

Aber wir sind uns darüber im Klaren, dass unsere Entbehrungen der Preis für unsere wirkliche Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit sind. Europa dagegen zahlt für die zunehmende Knechtschaft und Abhängigkeit von Washington.

Nun, "à la guerre comme à la guerre" – im Krieg ist es so, wie es im Krieg ist. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben wir innerhalb weniger Jahre unsere Atomwaffen entwickelt und die nukleare Parität erreicht. Jetzt wollen wir zur wirtschaftlichen Parität kommen. Die Exekutivanordnung des Präsidenten zu Gegensanktionen ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Übersetzt aus dem Russischen

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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