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Die USA nutzen die Ukraine als Testlabor für Drohnen – Russland wird das nicht vergessen

Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters, erwägt die US-Regierung die Lieferung von vier Drohnen vom Typ MQ-1C "Grey Eagle" an die Ukraine, die mit Raketen vom Typ Hellfire (Höllenfeuer) bewaffnet werden können und gegen russische Streitkräfte eingesetzt werden sollen.
Die USA nutzen die Ukraine als Testlabor für Drohnen – Russland wird das nicht vergessenQuelle: AFP © HO / US ARMY / AFP

Eine Analyse von Scott Ritter

Wenn sich diese Nachricht bewahrheitet, würde diese neuste Lieferung an Waffen eine Sondergenehmigung sowohl des Außenministeriums der USA als auch des US-Kongresses erfordern, da ein Gesetz die Lieferung waffenfähiger Drohnen nur auf die engsten US-Verbündeten beschränkt. Falls diese Genehmigung erteilt wurde, dann erhalten die ukrainischen Betreiber einen Schnellkurs in der Bedienung dieser Drohne, der voraussichtlich einige Wochen dauern wird – während die normale Schulungszeit für einen MQ-1C-Bediener mehrere Monate beträgt. Das bedeutet, dass der erste Einsatz einer MQ-1C Grey Eagle frühestes irgendwann im Verlauf des kommenden Julis zu erwarten ist.

Der MQ-1C Grey Eagle (Grauer Adler) ist der Nachfolger der taktischen unbemannten Flugdrohne RQ/MQ-5 Hunter (Jäger), die gemeinsam von der US-Armee und dem US Marine Corps entwickelt wurde. Während das Entwicklungsprogramm bereits im Jahr 1989 begann, erreichte das Waffensystem seine Reife in den Jahren nach den Anschlägen vom 11. September. Das hatte zur Folge, dass die Drohne Hunter als ein Waffensystem entwickelt wurde, das nicht darauf ausgelegt war, beispielsweise in einem Konflikt mit der Sowjetunion zu operieren, sondern im wesentlich "weicheren Umfeld" des globalen Kriegs gegen den Terrorismus.

Die Einsatzgeschichte der Waffe Hunter spiegelt dies wider. Während der Tests im Jahr 2002 wurden Hunter dazu verwendet, um BAT-Submunition abzufeuern – eine exzellente Waffe zur Panzerabwehr, die in der Lage gewesen wäre, russische gepanzerte Fahrzeuge zu zerstören. Als das System dann im Jahr 2005 zum Einsatz kam, waren die Drohnen jedoch dahingehend modifiziert worden, mittels Laser gesteuerte Bombe gegen aufständische Truppen im Irak abzufeuern. Die Art der wahrgenommenen Bedrohung hatte die Einsatzdoktrin des Waffensystems verändert, vom Treffen eines beweglichen Ziels in einer feindlichen Umgebung hin zur Fähigkeit, ungestört von jeder Bedrohung am Himmel herumzulungern und präzis geführte Schläge gegen einen statischen Feind auszuführen.

Die Anforderungen des globalen "Kriegs gegen den Terror" übertrafen schnell die Leistungsmerkmale der Jäger. Bereits im Jahr 2002 begann die US-Armee nach einem Ersatz zu suchen, der mehrere Nutzlasten tragen konnte, mit dem es möglich sein würde, Aufklärung, Überwachung und Zielerfassung zu vereinen. Gleichzeitig sollte die Drohne als Kommunikationsrelais, der Funkaufklärung und der elektronischen Kriegsführung dienen können, sowie für die Erkennung von Sprengfallen und der Schadensbewertung eines angegriffenen Ziels – kurz gesagt: Man wollte mit der Langstreckendrohne MQ-1C einen Alleskönner.

Der Hauptfaktor für die Entwicklung eines Nachfolgers des Flugroboters Hunter war die Annahme eines Einsatzes in einer bedrohungsfreien Umgebung, wodurch es möglich sein sollte, die Vielzahl der zugewiesenen Missionen zu erfüllen. Die MQ-1C wurde aus einer Vielzahl an konkurrierenden Modellen ausgewählt und im Jahr 2009 begann die US-Armee diese in Dienst zu stellen. Bis zum Jahr 2010 war die MQ-1C sowohl im Irak als auch in Afghanistan im Einsatz, wobei das bevorzugt eingesetzte Waffensystem die lasergesteuerte Hellfire-Rakete war – auch wenn das System Grey Eagle mit Stinger-Raketen bewaffnet werden kann, die für den Einsatz gegen fliegende Objekte konfiguriert sind, sowie mit der lasergelenkten Gleitbombe vom Typ GBU-44.

So effektiv der Grey Eagle gegen irakische Aufständische, gegen die afghanischen Taliban und ISIS-Terroristen auch war, so wuchs innerhalb der US-Armee die Erkenntnis darüber, dass die Drohne den Anforderungen dessen, was das US-Militär als "groß angelegte Gefechtsoperation" nannte, nicht gewachsen ist, insbesondere nicht gegen einen sogenannten "Kampf in der Zukunft" gegen einen ebenbürtigen Gegner wie Russland. Die Waffen-Sensoren, die sich bei der Bekämpfung von Aufständischen im Irak und in Afghanistan als effektiv und tödlich erwiesen hatten, würden im Falle eines Kampfes gegen die russische Armee nichts mehr taugen. Wenn man den Feind sehen kann, muss man gegenüber den russischen Streitkräften davon ausgehen, dass auch der Feind sehen und töten kann. Wenn die Drohne Grey Eagle überlebensfähig sein und auf einem modernen Schlachtfeld bestehen soll, sind völlig neue Waffen-Sensoren erforderlich, die eine Zielerkennung zur Unterstützung von Langstrecken-Präzisionsartellerie ermöglichen.

Die neuen Grey Eagles müssen laut einer Ausschreibung der US-Armee in der Lage sein, in einer "dicht gestaffelten und koordinierten Umgebung der Luftabwehr" zu überleben, indem sie "Streckenmuster tangential zur Luftabwehr-Bedrohung in 80 Kilometer Entfernung fliegen" und sogenannte "in der Luft gestartete Effekt-Systeme" – mit Sensoren ausgestattete Mini-Drohnen – ins feindliche Gebiet schicken können, um "Ziele für die anschließende Zerstörung zu erkennen, zu identifizieren und zu lokalisieren". Über solche Fähigkeiten verfügt das US-Militär derzeit nicht, was bedeutet, dass die Grey Eagles, die von den USA der Ukraine zur Verfügung gestellt werden, nicht dafür konfiguriert sind, auf einem modernen Schlachtfeld, dem russisch-ukrainischen Schlachtfeld, zu kämpfen und zu überleben.

Die MQ-1C ist etwa doppelt so groß wie die am häufigsten genutzte Drohne, die bei den Streitkräften der Ukraine im Einsatz war, die in der Türkei hergestellte Bayraktar TB2. Während die TB2 in Libyen, Syrien und im Konflikt in Bergkarabach einige Erfolge verbuchen konnte und sich auch in der ersten Phase der russischen militärischen Spezialoperation gut gegen Russland bewährte, konnte Russland seine Luftverteidigung verstärken und schließlich 35 der 36 bereitgestellten TB2 abschießen.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die MQ-1C Grey Eagle ein ähnliches Schicksal erleiden wird.

Aber dies kann natürlich auch die Absicht der USA sein. Die Zahl der Grey Eagles, die in die Ukraine geliefert werden sollen – vier an der Zahl – ist gering. Und selbst wenn diese auf dem Schlachtfeld überleben könnten, hätten sie keinen erkennbaren Einfluss auf den Verlauf des Konflikts. Aber wenn man die Operationen der Grey Eagle gegen russische Streitkräfte in der Ukraine als Labor für die Entwicklung von Taktiken betrachtet, mit denen man die russische Luftabwehr in Zukunft bezwingen will, dann könnten die USA für den Preis von vier MQ-1C Gray Eagle Hunderte von Millionen Dollar an Ausgaben für Forschung und Entwicklung einsparen.

Die Ukraine verliert den Krieg gegen Russland, und keine militärische Ausrüstung, die den ukrainischen Kämpfern von den USA und anderen westlichen Nationen geliefert wird, wird in der Lage sein, dieses Ergebnis zu ändern. Die USA wissen das, und daher muss man den Nutzen der Bereitstellung eines solchen Hightech-Systems wie das des MQ-1C Grey Eagle in solch begrenzter Zahl und in diesem Stadium des Konflikts infrage stellen. Die einzige, vernünftige Antwort ist, dass die USA versuchen, die russische Operation als Testlabor zu nutzen, in dem die "Ratten" russische und ukrainische Soldaten sind. Der Zynismus einer solchen Übung ist erstaunlich. Daran sollten sich die Ukrainer erinnern, wenn die endgültigen Kosten dieses von der NATO geführten Konflikts berechnet werden. Und Russland sollte dies niemals vergessen – oder vergeben –, wenn es in Zukunft mit den USA zu tun hat.

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Übersetzt aus dem Englischen.

Scott Ritter ist ein ehemaliger Geheimdienstoffizier des US Marine Corps. Er diente in der Sowjetunion als Inspektor bei der Umsetzung des INF-Vertrags, im Stab von General Schwarzkopf während des Golfkriegs und von 1991 bis 1998 als UN-Waffeninspektor. Man kann ihm auf Telegram folgen.

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