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Russland erhält einen unerwarteten Verbündeten – und möglicherweise ein neues Urlaubsziel

Russlands Präsident Wladimir Putin erhält Besuch von seinem Amtskollegen aus Eritrea, Isayas Afewerki. Eritrea stimmte gegen die UN-Resolution über die Verurteilung der russischen Militäroperation in der Ukraine. Was könnte die weitere Zusammenarbeit zwischen Moskau und Asmara bringen?
Russland erhält einen unerwarteten Verbündeten – und möglicherweise ein neues UrlaubszielQuelle: Gettyimages.ru © hugy

Von Pjotr Akopow

Die Nachricht scheint auf den ersten Blick unauffällig zu sein: Am Mittwoch traf Wladimir Putin im Kreml Isayas Afewerki, den Präsidenten des Staates Eritrea, der zum ersten Mal nach Moskau im Rahmen eines Staatsbesuches kam.

Doch am 2. März des vergangenen Jahres hatten während der UN-Generalversammlung nur vier Staaten gegen die Resolution über die Verurteilung der "russischen Aggression gegen die Ukraine" gestimmt. Und wenn von dreien dieser Staaten, nämlich Weißrussland, Syrien und der Demokratischen Volksrepublik Korea, in Russland praktisch alle zumindest irgendeine Vorstellung haben, ist beim vierten, Eritrea, das Gegenteil der Fall. Die absolute Mehrheit der russischen Bürger wusste weder von der Existenz eines fernen afrikanischen Landes mit sechs Millionen Einwohnern noch von ihrem ersten und einzigen inzwischen 77-jährigen Präsidenten. Und erst recht verstand niemand, wieso Eritrea Russland unterstützt, zumal Russland zu Beginn der 2000er Jahre für Sanktionen gegen dieses Land in der UNO stimmte.

Natürlich erklärten die westlichen Medien und ihre russischen Klone gleich alles: Eines der geschlossensten und ärmsten Länder der Welt, welches die letzten Plätze in allen möglichen Ratings – von der Redefreiheit bis zum Einkommensniveau – belegt, habe den Moment genutzt und Russland unterstützt. Oder gar so: Das sind nun Russlands verbliebene Freunde, seht her und erschaudert – Eritrea und Nordkorea! In jenen Tagen kam das beim putinfeindlichen Publikum selbst in Russland gut an, bis sich herausstellte, dass faktisch die ganze nichtwestliche Welt nicht vorhat, Russland zum Feind zu erklären und Verbindungen zum Land zu kappen. Allerdings bedeutet das nicht, dass Russland Eritrea verschmähen kann – im Gegenteil, der afrikanische Staat verdient mehr Aufmerksamkeit.

Das an der Westküste des Roten Meeres gelegene Eritrea ist tatsächlich ein sehr geschlossenes Land, doch gleichzeitig auch mit das älteste. Mehr noch, gerade auf seinem Territorium wurden die Knochen der ersten Menschen gefunden, die vor einer Million Jahren lebten, also ist es in gewissem Sinne die Wiege der Menschheit. Eine entwickelte Zivilisation bestand hier schon zu Zeiten des Alten Ägyptens: Die Königin von Saba und das Reich von Aksum haben beide Verbindungen zum Gebiet Eritreas. Es ist eines der ersten Länder, welches das Christentum annahm – und zwar von Byzanz, von wo aus das Christentum auch nach Russland gelangte. Auch heute sind zwei Drittel der Eritreer monophysitische Christen, die den orthodoxen Christen näherstehen als die Katholiken. Ein Drittel sind Muslime. Die zahlenmäßig größte Bevölkerungsgruppe von Eritrea, Tigre, hat semitische Wurzeln. Das Land wurde von den Arabern erobert, stand unter osmanischer und ägyptischer Herrschaft und wurde Ende des 19. Jahrhunderts von Italien kolonisiert. Als aber die Kolonialherren einen Krieg gegen Äthiopien verloren, wurde Eritrea zu dessen Teil – ohne große Begeisterung, allerdings mit föderativen Rechten. Doch das kaiserliche Äthiopien schaffte die Autonomie seiner Küstenprovinz ab, und als Reaktion begann ein Guerillakrieg um die Unabhängigkeit. Gerade damals, in der Mitte der 1960er Jahre, schloss sich Isayas Afewerki dem Kampf an und wurde ein Vierteljahrhundert später zum Staatschef des von Äthiopien abgespalteten Landes.

Im Jahr 2009 wurde Eritrea von der UNO sanktioniert – im Sicherheitsrat wurden die Sanktionen sowohl von den westlichen Ländern als auch von Russland unterstützt, China enthielt sich und ließ damit die Resolution durch. Bestraft wurde Eritrea für alles gleichzeitig: sowohl für die Unterstützung islamistischer Separatisten in Somalia als auch für die Territorialansprüche gegen Dschibuti. In Wirklichkeit war es der Widerstand gegen die Versuche Äthiopiens, eine Hegemonie in der Region zu etablieren. An den Sympathien Äthiopiens mit seinen hundert Millionen Einwohnern waren sowohl der Westen als auch Russland interessiert, und so erhielt Eritrea die Sanktionen.

Übrigens versöhnten sich Eritrea und Äthiopien nach neun Jahren, die Sanktionen wurden aufgehoben, und später half Afewerki sogar der äthiopischen Armee im Krieg gegen die abtrünnige Provinz Tigray. Heute herrscht Waffenstillstand, doch niemand kann von einem Frieden in der Region sprechen.

Und im letzten Jahr stellte sich heraus, dass Asmara Moskau die Abstimmung in der UNO im Jahr 2009 nicht übelnimmt, und Eritrea schlug sich auf die Seite Russlands während der Generalversammlung. Im Januar dieses Jahres besuchte Russlands Außenminister Sergei Lawrow die eritreische Hauptstadt Asmara, und nun kam auch Afewerki nach Russland, ohne den russisch-afrikanischen Gipfel im Juli abzuwarten.

Eritrea schützt seine Souveränität sorgfältig vor äußeren Einflüssen und gibt nicht nur dem Westen, sondern auch freundlichen arabischen Staaten nicht nach. Nur China begann, dort Infrastrukturprojekte zu entwickeln. Größere gemeinsame Projekte mit Russland gab es bisher nicht, doch die Abstimmung in der UNO im letzten Jahr zeugt von überaus ernsten Absichten Asmaras. Und Afewerkis Interesse an Russland beschränkt sich offensichtlich nicht auf Waffenlieferungen.

Eritrea verfügt über großartige Tiefwasserhäfen am Roten Meer, und vor einigen Jahren kamen sie bereits als Thema bei Verhandlungen mit Russland auf. Es gibt eine ehemalige sowjetische Marinebasis aus den Zeiten der sowjetisch-äthiopischen Freundschaft. Es gibt eine von den Sowjets gebaute große Erdölraffinerie – verlassen zwar, doch wiederherstellbar. Es gibt Strände und Korallenriffs, die den ägyptischen in nichts nachstehen. Selbst der Name des Staates bedeutet auf Griechisch "Rotes Meer", es fehlt nur noch die touristische Infrastruktur. Und warum sollte Russland nicht bei deren Aufbau helfen?

Und so kann es gut sein, dass mit der Zeit Eritrea für russische Touristen zum zweiten Ägypten wird, und für die russische Flotte – zu einem sicheren Hafen im Roten Meer. Putin und Afewerki werden also einiges zu besprechen haben.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.

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