Meinung

Politik als Werbung oder Werbung als Politik? Der Wahlkampfmanager der Grünen

Es war bei dieser Partei schon immer schwer unterscheidbar, was Werbemasche war und was Politik. Kein Wunder, dass sich das auch in den Lebensläufen einzelner Personen widerspiegelt. Der neue Wahlkampfmanager ist ein Musterbeispiel dafür.
Politik als Werbung oder Werbung als Politik? Der Wahlkampfmanager der GrünenQuelle: www.globallookpress.com © © LEONHARD SIMON via www.imago-ima

von Dagmar Henn

Michael Scharfschwerdt, der Wahlkampfleiter für Annalena Baerbock, könnte eine Symbolfigur für die transatlantischen Netzwerke der Grünen sein. Obwohl deutlich jünger als die Protagonisten, die aus der Friedens- eine Kriegspartei machten, Joschka Fischer und Reinhard Bütikofer, ist er engstens mit ihnen vernetzt und hat seinen ganzen Lebenslauf in dem Schattenreich zwischen Politik, Werbung, Intrige und Geldmacherei verbracht.

Als er 2001 für ein Jahr die Büroleitung für Reinhard Bütikofer übernimmt, ist er erst 27 und hat nach seinem Studium als Diplom-Geologe gerade mal ein Jahr für eine PR-Agentur gearbeitet, die vor allem Pressearbeit macht. Klar, das ist für einen Büroleiter eine wichtige Qualifikation. Vor allem braucht er aber eine weitere: Er muss in der Partei Strippen ziehen können, gegebenenfalls die Fußtruppen mobilisieren, um den Vorsitzenden zu stützen, oder unbotmäßige Landesvorstände mehr oder weniger freundlich unter Kontrolle bringen. Büroleiter bei einem Parteivorsitz ist immer eine Position für einen Chefintriganten.

Nach Abschluss seiner Tätigkeit für Bütikofer war Scharfschwerdt vier Jahre lang Mitglied des Bundesvorstands der Grünen und dabei verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit. Diese Phase ist gewissermaßen ein Ausreißer in diesem Lebenslauf; Bundesvorstand ist eine tatsächlich politische Stellung, in die man gewählt werden muss. Da konnte er natürlich von Bütikofers Netzwerk, das er als Büroleiter ja betreut hat, profitieren; aber offenkundig war es nicht so ganz nach seinem Geschmack, sichtbar Politik zu betreiben.

Dafür betätigte er sich laut der Webseite der Deutschen Umweltstiftung nebenbei noch im geheimdienstnahen Regimechange-Geschäft: "Seit 2005 arbeitet er auch als Trainer für Politische Kommunikation/Campaigning, vor allem in Osteuropa/dem westlichen Balkan und der östlichen Mittelmeer-Region."

Von 2007 bis 2011 war er dann Koordinator der deutschen Grünen im Europaparlament. Damit war er wieder auf einem der Posten hinter den Kulissen. Hier ist davon auszugehen, dass ein Teil seiner Tätigkeit darin bestand, die grünen Fraktionen aus anderen Ländern, die sich zum Teil deutlich von den transatlantischen deutschen Grünen unterschieden, irgendwie unter Kontrolle zu bringen.

Im Mai 2011 kehrt er auf die bereits bekannte Position als Strippenzieher zurück, diesmal für Cem Özdemir, den er letztlich verlässt, um vier Jahre lang in der Beratungsfirma von Joschka Fischer wieder PR zu betreiben, von wo er in eine weitere dieser Beratungsfirmen wechselt, AT Kearney (inzwischen nur noch Kearney), eine Firma, die sich 1939 von McKinsey abgespalten hat und 2016 als bestzahlendes Unternehmen der USA galt, mit einem Mediangehalt von 168.000 Dollar.

In einem Spiegel-Artikel aus dieser Zeit wird er als ein "typischer Vertreter der bürgerlichen Seite der 20-Prozent-Partei – smart, urban, digital und polyglott" bezeichnet. Diese Bürgerlichkeit, oder, sagen wir mal, die Abstammung aus der gehobenen Dienstklasse, verbindet ihn auch mit Annalena Baerbock, immerhin Tochter des Vorstandschefs eines Automobilzulieferers. Das gewöhnliche Leben eines gewöhnlichen Lohnempfängers ist etwas, das auch Michael Scharfschwerdt nur aus Erzählungen kennt. Sein Umgang fand sich von Beginn seines Berufslebens an auf den Chefetagen.

Er dürfte auch die Attitüde seines ehemaligen Chefs Fischer teilen, der seine politische Karriere sehr zielstrebig in eine finanzielle ummünzte. Einen Auftritt Fischers bei einer Veranstaltung für seinen Kunden REWE beschrieb das Handelsblatt damals so: "Die ausgestreckte Hand von Ernst Ulrich von Weizsäcker hingegen, dem ehemaligen Chef des Wuppertaler Instituts für Umwelt und Energie, lässt er unberührt und geht weiter. Mit 'Hallo Joschka' will Unternehmer Fischer nicht angesprochen werden."

Annalena Baerbock ist jedenfalls bei Scharfschwerdt in guten Händen. Er garantiert, dass sich der talentfreien höheren Tochter kein innerparteilicher Quertreiber in den Weg stellt; er weiß, wie man die Truppen in Ordnung hält. Mit der PR, die man bei den Grünen für Politik hält, kennt er sich auch aus. Er wird das tun, was er schon in einem grünen Wahlkampfhandbuch aus dem Jahr 2014 empfohlen hat: "Vergesst die Wählergruppen, die ihr noch nie überzeugt habt."

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