Meinung

China und Russland sind bereit für ein Ende der US-Dominanz auf globalen Finanzmärkten

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte vergangene Woche intensive Gespräche mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping – auch darüber, Pläne für eine Rahmenordnung in der Neuausrichtung gemeinsamer internationaler Finanzfragen zu vereinbaren.
China und Russland sind bereit für ein Ende der US-Dominanz auf globalen FinanzmärktenQuelle: www.globallookpress.com © Kremlin Pool

Ein Kommentar von Glenn Diesen

China und Russland bewegen sich gemeinsam in Richtung einer Vereinbarung zu diesen Fragen, seit die globale Finanzkrise von 2008 die Risiken eines übermäßigen Vertrauens in die Finanzstrukturen der USA offenbarte. Zudem haben die von den USA verhängten wirtschaftlichen Sanktionen gegen beide Länder in Moskau und Peking die Suche nach Alternativen angekurbelt.

Die amerikanische zentrale Finanzarchitektur ist eine immense Quelle von Macht. Der Großteil des internationalen Handels wird in US-Dollar abgewickelt, die Zahlungen laufen über das Transaktionssystem SWIFT, bei dem die USA eine schwergewichtige Rolle spielen. Finanzierungen werden über US-geführte Investmentbanken abgewickelt, Schulden von US-Rating-Agenturen bewertet – selbst die am weitesten verbreiteten Kreditkarten sind US-amerikanische Produkte. Diese wirtschaftlichen Instrumente der Macht ermöglichen es, von Washington, D.C. aus ein Imperium anzuführen – das kann enorme Handelsdefizite verwalten, wirtschaftliche Daten über die Konkurrenz sammeln, den verbündeten Ländern eine bevorzugte Behandlung zukommen lassen und die nicht befreundeten Staaten mit Sanktionen an die Wand drücken.

Die US-amerikanische Finanzarchitektur ist jedoch nicht mehr nachhaltig. Das Weiße Haus hat die Kontrolle über das Handelsdefizit der USA verloren, die Schuldenspirale dreht sich immer schneller, und die zügellose Inflation zerstört die Währung. Was die Angelegenheiten schlimmer macht, ist, dass Washington seine Finanzarchitektur als außenpolitisches Instrument einsetzt, mit dem nicht genehme Länder mit wirtschaftlichen Sanktionen belegt werden. Die US-Sicherheitsstrategie bestätigt, dass China und Russland in Washingtons Fadenkreuz stehen, wodurch es für Moskau und Peking unerlässlich wird, eine alternative Finanzarchitektur aufzubauen, die von den USA entkoppelt ist.

Entkopplung vom Dollar

Die Entkopplung vom Dollar, die Reduktion der Abhängigkeit vom US-Dollar als Reserve- und Transaktionswährung, ist immens herausfordernd, da die dominierende Rolle des US-Dollars das internationale Finanzsystem seit über 75 Jahren bestimmt hat. Der Dollar konnte seine starke Position aus drei Hauptgründen aufrechterhalten: Die schiere Größe der amerikanischen Wirtschaft, durch den Wert des Dollars, der durch eine niedrig gehaltene Inflation gestützt wurde, und durch einen offenen und liquiden Finanzmarkt. Da die US-Wirtschaft sich in einem relativen Rückgang befindet, ist die Inflation außer Kontrolle geraten, und ihre Finanzmärkte werden als Waffe eingesetzt – die Grundlagen für die dauerhafte Rolle des Dollars erodieren immer schneller.

Eine finanzielle Partnerschaft zwischen China und Russland, also dem weltweit größten Energieimporteur sowie dem weltweit größten Energieexporteur, ist ein unverzichtbares Instrument, um den "Petrodollar" zu entthronen. Noch im Jahr 2015 wurden rund 90 Prozent des Handels zwischen Russland und China in US-Dollar abgewickelt, während 2020 der in US-Dollar abgewickelte Handel zwischen den beiden eurasischen Giganten mit 46 Prozent bereits fast um die Hälfte reduziert worden war. Russland hat auch einen beachtlichen Teil von US-Dollar in seinen ausländischen Reserven abgebaut.

Die Mechanismen zum Abkoppeln des Handels zwischen China und Russland vom US-Dollar werden auch zum Tragen kommen, um die Verwendung des Greenbacks an Orten wie Lateinamerika, der Türkei, in Iran, Indien und anderswo zu beenden. Die USA pumpen seit Jahrzehnten ihre Dollars in die ganze Welt, aber irgendwann dreht der Wind, wenn die Flut von Dollars mit zunehmend geringerem Wert nach Hause zurückschwappen wird.

Finanztransaktionen

Das internationale System SWIFT für Finanztransaktionen zwischen Banken war früher das einzige System für den transnationalen Zahlungsverkehr. Diese zentrale Rolle von SWIFT begann zu erodieren, als die USA begannen, dieses System als politische Waffe zu missbrauchen. Die USA warfen zu Beginn Iran und Nordkorea aus dem System, und im Jahr 2014 begann Washington – im Zuge der Ukraine-Krise –, auch Russland den Rausschmiss aus dem System anzudrohen. Und in den zurückliegenden Wochen wurden diese Androhungen, SWIFT als Waffe gegen Russland zu benutzen, noch deutlich intensiviert.

China hat mit der Schaffung des Systems CIPS darauf geantwortet, und Russlands entwickelte das System SPFS – beide Systeme sind Alternativen zum SWIFT-System. Sogar mehrere europäische Länder haben sich versuchsweise für eine Alternative zu SWIFT zusammengetan, um Washingtons exterritoriale Gerichtsbarkeit einzudämmen und um weiterhin Handel mit Iran betreiben zu können. Eine neue chinesisch-russische Finanzarchitektur sollte CIPS und SPFS integrieren und sie für Dritte zugänglich machen. Und sollte man Russland aus dem System SWIFT hinauswerfen, dann wird sich die Entkopplung von SWIFT weltweit nur noch mehr beschleunigen.

Der US-dominierte Internationale Währungsfonds (IWF), die Weltbank und die asiatische Entwicklungsbank sind renommierte Instrumente US-amerikanischer Wirtschaftskraft. Die Einführung der chinesisch geführten Asiatischen Investmentbank für Infrastruktur (AIIB) führte 2015 in der globalen finanziellen Architektur zu einem Wendepunkt, da alle wichtigen Verbündeten der USA (außer Japan) aus Trotz gegen amerikanischen Druckversuche der AIIB beitraten. Diese neue Entwicklungsbank, die früher als BRICS-Entwicklungsbank bezeichnet wurde, war ein weiterer Schritt zur Entkopplung von den US-geführten Entwicklungsbanken. Die eurasische Entwicklungsbank und die zukünftige SCO-Entwicklungsbank sind weitere Nägel am Sarg der US-amerikanischen Entwicklungsbanken. China und Russland haben auch ihre eigenen Rating-Agenturen entwickelt und ersetzten die dominierende Position der Kreditkarten-Unternehmen von Visa und Mastercard in ihren Ländern.

Synergieeffekte

Diese neue Finanzarchitektur wird mit einer Komponente in der Energiepartnerschaft und in der technologischen Partnerschaft ergänzt, da weder China noch Russland auf amerikanische High-Tech-Industrie angewiesen sein wollen, während sie an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution stehen. Darüber hinaus versuchen beide Länder, US-dominierte Transportkorridore zu vermeiden. China hat Billionen von Dollar in seine Belt and Road Initiative (BRI) investiert, während Russland ein ähnliches, aber bescheideneres Programm verfolgt, das die Entwicklung der Arktis für die maritime Route der Nordostpassage in Partnerschaft mit China vorsieht. Finanzierung und Verwaltung dieser Investitionsprogramme und der Transportkorridore werden positive Synergieeffekte auch für die Weiterentwicklung einer neuen internationalen Finanzarchitektur haben.

Die USA können zwar immer noch mehr Sanktionen aussprechen, um sich der Entwicklung einer multipolaren internationalen Finanzarchitektur zu widersetzen. Aber fortgesetzter wirtschaftlicher Zwang wird nur die Nachfrage nach noch schnellerer Entkopplung von den USA erhöhen. Die erste Regel bei Sanktionen besagt, dass jene Länder, die dauerhaft mit Sanktionen belegt werden, irgendwann lernen, ohne diese streitlustige Weltmacht zu leben. Was als Anstrengungen begann, mit denen Washington seine Gegner schwächen und isolieren wollte, endet schließlich mit der Isolierung der USA selbst.

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Übersetzt aus dem Englischen.

Glenn Diesen ist Professor an der Universität Südost-Norwegen und Redakteur des Journals Russia in Global Affairs. Man kann ihm auf Twitter unter @glenn_diesen folgen.

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