Meinung

Mariupol: Vorgetäuschte und wahre Barmherzigkeit

Als die russische Armee Mariupol völlig unter ihre Kontrolle brachte, gerieten die verbliebenen ukrainischen Streitkräfte in der Stadt in die Katakomben des Azov Stahlwerks. Die russische Armee hätte ihnen niemals Gnade erweisen müssen, wenn der Westen nicht beschlossen hätte, sie von vornherein gnadenlos als Kanonenfutter zu benutzen.
Mariupol: Vorgetäuschte und wahre BarmherzigkeitQuelle: Gettyimages.ru © Anadolu Agency / Kontributor

Ein Kommentar von Anna Schafran

Der Präsident Russlands, Wladimir Putin, befahl, die Bestürmung der Katakomben des metallurgischen Kombinats "Asowstal" abzubrechen und die umzingelten Kampfgruppen so zu blockieren, dass "keine Fliege durchkommt". Tatsächlich stellen die ukrainischen Haudegen keine reale Gefahr mehr für die Bewohner Mariupols dar, und es ergäbe nicht den geringsten Sinn, das Leben unseres Militärs zu riskieren, nur um ein formelles Häkchen zu setzen – "Asowstal" ist eingenommen.

Genau dadurch unterscheidet sich die Logik unseres Landes und unserer Armee von der Logik Kiews und denjenigen, die hinter der Ukraine stehen: Diese benötigen ein schönes "Bild", sentimentale Geschichten und andere Spezialeffekte des Films. Und wir betreiben Realpolitik und die harte Arbeit der Entnazifizierung und Entmilitarisierung. Nicht für Spezialeffekte. Die Hauptsache ist, Menschenleben zu erhalten, das unserer Soldaten und der Zivilisten, und wie wir uns sehr gut erinnern, versuchte man in den ersten Tagen der Spezialoperation sogar, das ukrainische Militär zu schonen, ohne Anschläge auf Ansammlungen von Soldaten zu verüben. Leider schätzte der Feind dieses Vorgehen nicht.

Der Austausch von Kriegsgefangenen ist eine wichtige humanitäre Aufgabe. Als Kiew während des Krieges im Donbass Versuche unternahm, ukrainische Staatsbürger gegen ukrainische Staatsbürger auszutauschen, sah es logisch aus – auf beiden Seiten waren die meisten Inhaber von Pässen dieses Landes. Aber jetzt hat sich die Situation geändert, Russland führt eine Spezialoperation durch. Deshalb sieht es äußerst seltsam aus, wenn uns angeboten wird, den ukrainischen Politiker Wiktor Medwedtschuk durch ukrainische Militärangehörige auszutauschen. Sie sollten uns unsere Soldaten übergeben.

Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass sich im "Asowstal" eine große Zahl ausländischer Söldner versteckt hält. Zwei Briten sind bereits gefangen genommen, und sie seien bereit, gegen denselben Medwedtschuk ausgetauscht zu werden. Es ist nur so, dass das "Bild" in diesem Fall nicht tauglich wäre, sowohl aus der Sicht der Londoner als auch der Kiewer Regisseure. Daher ignorierte der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij diesen Vorschlag völlig. Weshalb auch nicht? Die Söldner sind keine Bürger der Ukraine, und warum sollte der ukrainische Präsident auf ihre Worte achten?

Seinerseits hat der britische Premierminister Boris Johnson die russischen Behörden dazu aufgerufen, den Gefangenen "Gnade zu erweisen". Eine wichtige Bemerkung hier ist, dass unsererseits kein einziger Fall von Verstößen gegen UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen festzuhalten ist. Was auf der anderen Seite passiert, das ist bekannt – keine Gnade und nicht einmal die einfache Einhaltung internationaler Vereinbarungen ist zu erwarten, die die Ukraine unterzeichnet hat. Doch dies wird von Johnson und seinen Kollegen ignoriert. Auch der zunehmende Einsatz Kiews von verbotenen Waffen und die Geiselnahme eigener Bürger wird ignoriert.

In solch einer Situation befinden sich Medwedtschuk und die Bewohner der noch nicht befreiten Städte des Donbass in der gleichen Lage als Geiseln. Eine beliebige andere Regierung in irgendeinem anderen Land wäre dafür längst als Terrorist eingestuft worden, aber hier sei es "eine andere Sache, man muss es verstehen".

Der Befehl Putins, den Angriff durch Personaleinsatz auf "Asowstal" abzubrechen, ist natürlich eine gnädige Entscheidung gegenüber allen, die sich jetzt in [den sehr umfangreichen Bunkeranlagen] dieser Fabrik verstecken. Und für Kiew wäre es natürlich von Vorteil, wenn alle Geheimnisse der Söldner in den Kellern blieben. Ein weiteres "heiliges Opfer", weitere "Helden" und "Cyborgs", denen man ein Denkmal setzen, einen Film über sie drehen, ein Buch schreiben kann und so weiter – in bester Hollywood-Tradition.

Eines kann ich einfach nicht verstehen: Haben die Menschen in der Ukraine diese imaginäre Realität nicht satt, die weder mit einer Reihe fiktiver "Siege" noch mit einem unerreichbaren europäischen Lebensstandard endete, die sich ganz bestimmt aber in reale Kampfhandlungen verwandelt hat?

Verstehen sie wirklich nicht, dass es nicht gut tut, jahrelang in der virtuellen Welt zu leben? Sind sie blind für die enormen Verluste ihrer Armee? Oder die einzige Möglichkeit zu sehen, die den Krieg stoppen kann, also nicht weitere Lieferung veralteter Waffen aus Europa, sondern ehrliche und verantwortungsbewusste Friedensverhandlungen, denen Kiew seit fast zwei Monaten ausweicht? Verstehen sie wirklich nicht, dass sie nicht die obszönen Propaganda-Gesänge ihrer Politikern nachsagen, sondern stattdessen zum selben "Maidan" hinausgehen und von ihrer eigenen Führung den sofortigen Beginn echter Friedensverhandlungen fordern sollten?

Es sieht so aus, als würden sie es immer noch nicht verstehen. Hingegen versteht Johnson alles perfekt. Einerseits ruft er zur Gnade auf, und andererseits – sagt er, dass durch friedliche Verhandlungen nichts gelöst werden kann und Kiew bis zum letzten Ukrainer kämpfen muss.

Was soll's! Mariupol ist eingenommen, "Asowstal" blockiert, die Spezialoperation läuft nach Plan. Die britischen Gefangenen werden bei uns barmherzig behandelt, und dasselbe können Hunderte und sogar Tausende neuer Gefangener erwarten, die sich unweigerlich ergeben werden. Wären die westlichen Politiker tatsächlich gnädig gewesen, so hätten sie von Anfang an nicht damit begonnen, die Ukraine mit Waffen vollzustopfen. Und ich hoffe wirklich sehr, dass die Menschen in der Ukraine diese Tatsache früher oder später verstehen werden.

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Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.