Meinung

Wenn die USA wirklich einen nuklearen Iran befürchten, sollten sie dem Atomabkommen wieder beitreten

Die Aussicht auf einen nuklear bewaffneten Nahen Osten unterstreicht die Notwendigkeit von mehr Diplomatie, nicht von weniger. Andernfalls könnte dies zu einer weiteren Verschlechterung der globalen Sicherheit und zu mehr Ressentiments gegen Washington führen.
Wenn die USA wirklich einen nuklearen Iran befürchten, sollten sie dem Atomabkommen wieder beitretenQuelle: AFP © Joe Klamar

Ein Kommentar von Bradley Blankenship

Das Weiße Haus äußerte am 26. April seine Besorgnis darüber, dass der Iran angeblich sein Atomprogramm beschleunige. Und es erklärte, Teheran könne innerhalb weniger Wochen genügend spaltbares Material für eine Atombombe haben. Diese Äußerungen wiederholten jene Statements, die zuvor aus dem Außenministerium kamen, und unterstrichen damit ein potenzielles neues Konfliktfeld in einer sich bereits verschlechternden globalen Sicherheitslandschaft – auch wenn diese Einschätzung möglicherweise nicht zutreffend ist.

Berichten in israelischen Medien zufolge diskutieren Washington und Tel Aviv alternative Methoden, um mit der Realität eines nuklear bewaffneten Irans umzugehen. Dies liegt daran, dass die USA laut diesen Berichten im Wesentlichen den Rahmen des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA, auch "Iran Nuclear Deal" genannt) aufgegeben haben, das heißt einen diplomatischen Weg, um das Problem anzugehen. Dies wirft die Frage auf, ob eine militärische Reaktion in Ermangelung einer tragfähigen diplomatischen Lösung auf dem Tisch liegt.

Andererseits veröffentlichten über 40 ehemalige europäische Spitzenbeamte, darunter ehemalige Außen- und Verteidigungsminister aus über einem halben Dutzend Ländern, einen offenen Brief, in dem sie die USA und Iran aufforderten, ihre Verhandlungen über die Rückkehr zum Atomabkommen von 2015 abzuschließen.

In dem Schreiben wird auf das umstrittenste Thema in den Verhandlungen hingewiesen: die Einstufung des iranischen Korps der Islamischen Republikanischen Garde als "ausländische terroristische Organisation", die offensichtliche Kompromisse beinhaltet – auch wenn diese mit Blick auf die innenpolitische Situation in den USA politisch kompliziert wären. Das Schreiben hat auch die zwei Jahre der Politik des "Maximaldrucks" auf Iran durch die USA als schlechtes Erbe des damaligen Präsidenten Donald Trump bezeichnet. Diese Politik ist letztlich nicht nur gescheitert, sondern sie hat die Welt zu einem objektiv weniger sicheren Ort gemacht hat.

Die ehemaligen europäischen Spitzenbeamten präsentierten mit ihrem Brief eine scharfsinnige Einschätzung der Situation und hätten wirklich nicht besser formulieren können, wenn es um Bidens Politik geht. Tatsache ist, dass Bidens mangelnde Bereitschaft, politische Differenzen mit Teheran zu verhandeln, also entweder einen Kompromiss anzunehmen oder eine Alternative vorzuschlagen, keine tragfähige Politik darstellt. Das ist gefährlich und unverantwortlich. 

Erstens sind die Vereinigten Staaten – angesichts der aktuellen globalen Sicherheitslage – möglicherweise nicht so gut gerüstet, um sich auf einen heißen Krieg mit Iran einzulassen, wie sie vorgeben zu sein. 

Denn die USA sind bereits in den anhaltenden Ukraine-Konflikt verwickelt und mobilisieren einen erheblichen Teil ihrer Militärproduktion für Waffenlieferungen an diesen Kriegsschauplatz. Die Vereinigten Staaten sind auch aktiv daran beteiligt, die Spannungen im asiatisch-pazifischen Raum zu schüren. Schon jetzt war es ein Hauptanliegen der US-Militärstrategen, einen "Zweifrontenkrieg" zu vermeiden, an dem Russland und China beteiligt sind, ganz zu schweigen von einem "Krieg an drei Fronten", in dem zusätzlich auch der Iran involviert ist.

Der Konflikt in der Ukraine dient tatsächlich als typisches Beispiel dafür, warum die USA mit dem Iran deeskalieren sollten. Vor dem Beginn von Russlands militärischer Spezialoperation versprachen die USA eine kraftvolle, unerbittliche Reaktion auf jeden Einmarsch Moskaus in die Ukraine. Diese Worte blieben hohl und sie haben – so wie weitere Ereignisse – die klare Botschaft gesendet, dass die Vereinigten Staaten in Sicherheitsfragen ein grundsätzlich unzuverlässiger Partner sind. Tatsache ist, dass Washington auf die Folgen seiner gefährlichen Eskalationen einfach nicht vorbereitet ist.

Zweitens sind die USA in dieser Angelegenheit politisch isoliert, nur Israel steht wirklich auf ihrer Seite. Europa versteht eindeutig, dass ein nukleares Wettrüsten im Nahen Osten eine direkte Bedrohung der eigenen Sicherheit darstellt und das Potenzial für einen ernsthaften Flächenbrand birgt. Aus diesem Grund hat Europa, seit dem Rückzug der USA aus dem Atomabkommen JCPOA, die Führung übernommen und ist auch Gastgeber von Verhandlungen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben die USA unter Joe Biden regelmäßig aufgefordert, wieder beizutreten – Aufforderungen, die bisher leider ignoriert wurden.

Der Rest der Welt, also die eigentliche internationale Gemeinschaft, ist ganz klar auf der Seite einer Deeskalation und gegen eine nukleare Proliferation. Alles, was diese Präferenzen fördern könnte, würde als wünschenswert angesehen. Was bedeutet, dass Washingtons mangelnde Bereitschaft, an den Verhandlungstisch zu kommen, von der internationalen Gemeinschaft eindeutig abgelehnt wird.

Die Offiziellen des Weißen Hauses müssen in Sachen JCPOA zur Vernunft kommen, an den Verhandlungstisch zurückkehren und mit Teheran zu einer einvernehmlichen Lösung finden. Der von der Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, vorgelegte Zeitplan von einigen Wochen kann als geeignete Frist dienen, um dies so schnell wie möglich umzusetzen.

Dies würde nicht nur dazu beitragen, eine destabilisierte globale Sicherheitslage zu verbessern, die eine nukleare Proliferation wohl zu einer legitimen nationalen Verteidigungsstrategie für Länder unter "maximalem Druck" macht. Sondern sie würde auch dazu beitragen, das Ansehen der USA in der ganzen Welt zu verbessern. Andernfalls könnte dies aus verständlichen Gründen zu einer weiteren Verschlechterung der globalen Sicherheit und zu mehr Ressentiments gegen Washington führen.

Übersetzt aus dem Englischen.

Bradley Blankenship ist ein in Prag lebender amerikanischer Journalist, Kolumnist und politischer Kommentator. Er hat eine Kolumne bei CGTN und ist freiberuflicher Reporter für internationale Nachrichtenagenturen, darunter die Nachrichtenagentur Xinhua. Er twittert auf @BradBlank_.

Mehr zum Thema - Neue Debatte um Iran-Atomdeal: Könnte Russland die Sanktionen durch Iran umgehen?

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.