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Studie offenbart starken Anstieg von Suizidversuchen bei Kindern im zweiten Lockdown

Obwohl sie selten schwer an Corona erkranken, erlegte die Politik Kindern besonders strenge Maßnahmen auf. Mit massiven psychischen Folgen: Einer Studie zufolge hat sich die Zahl versuchter Selbsttötungen bei Minderjährigen im zweiten Pandemie-Jahr fast verdreifacht.
Studie offenbart starken Anstieg von Suizidversuchen bei Kindern im zweiten LockdownQuelle: Gettyimages.ru © Johner Images

von Susan Bonath

Kinder und Jugendliche sind die Bevölkerungsgruppe, der das Coronavirus am wenigsten zu schaffen macht. Trotzdem überzog die Politik sie mit besonders harten Maßnahmen. Im zweiten Pandemie-Jahr hatte das dramatische Folgen: Die Zahl schwerer Suizidversuche bei Zwölf- bis 17-Jährigen stieg im Frühjahr 2021 massiv an. Fast dreimal so viele Jugendliche wie in den Jahren zuvor landeten nach einer versuchten Selbsttötung auf einer Intensivstation – weitaus mehr, als wegen oder mit Corona. 

Das besagt eine am 10. Mai veröffentlichte, noch nicht begutachtete Studie von rund 40 Wissenschaftlern um den Kinder-Intensivmediziner der Universitätsklinik Essen, Christian Dohna-Schwake. Die Autoren schlussfolgern in dem Begleitartikel zu der Studie:

"Diese Studie zeigt eine starke Zunahme schwerer Suizidversuche unter Jugendlichen im Verlauf der Pandemie in Deutschland. Weitere Forschung ist nötig, um den Zusammenhang zwischen Präventionsmaßnahmen und Suizidgedanken zu verstehen und die Jugendlichen psychisch besser unterstützen zu können."

Lockdown machte Kinder "hoffnungs- und perspektivlos"

Dohna-Schwake und seine Mitautoren haben dazu 27 Kinder-Intensivstationen in Deutschland mehrfach methodisch befragt. So ermittelten sie jeweils für den Zeitraum vom 16. März bis 31. Mai der Jahre 2020 und 2021 die Zahl der aufgenommenen Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren mit der Diagnose Suizidversuch. Die Zahlen verglichen sie dann mit den gleichen Zeiträumen der Jahre 2017, 2018 und 2019.

Die Zahl dieser Fälle in den Jahren vor der Pandemie sei relativ konstant gewesen, heißt es. Im Durchschnitt seien zwischen Mitte März und Ende Mai vor der Pandemie 32 Kinder und Jugendliche dieses Alters in den 27 Intensivstationen behandelt worden, nachdem sie versucht hatten, sich das Leben zu nehmen. Während des erstens Lockdowns 2020 verzeichneten die Autoren sogar noch einen leichten Rückgang. 

Ein Jahr später sah das ganz anders aus: Die Zahl der eindeutig identifizierten Suizidversuche bei 12- bis 17-Jährigen mit schwerwiegenden Folgen verdreifachte sich demnach nahezu. So behandelten die befragten Einrichtungen zwischen Mitte März und Ende Mai 2021 insgesamt 91 Minderjährige ab zwölf Jahren nach einem Versuch der Selbsttötung – 78 Mädchen und 13 Jungen.

Hochgerechnet auf alle Intensivstationen in Deutschland, könnten demnach bis zu 500 Kinder und Jugendliche allein in diesen zweieinhalb Monaten bundesweit nach einem Selbstmordversuch schwer geschädigt in einer Klinik gelandet sein. Das wären rund 320 Betroffene mehr als vor Corona. Diese erschreckende Schätzung nannte Studien-Leiter Dohna-Schwake bereits vorab im Januar, wie die Welt damals berichtete.

Als einziges größeres Medium hat die Springer-Zeitung diese Studie nun kurz nach ihrer Veröffentlichung noch einmal thematisiert. Demnach erklärt sich der Wissenschaftler Dohna-Schwake den Rückgang an Suizidversuchen im ersten Lockdown damit, dass dieser von Kindern und Jugendlichen als begrenzter Ausnahmezustand wahrgenommen worden sein könnte. Er fügte an:

"Der zweite Lockdown dauerte viel länger und zog sich dahin wie Kaugummi. Die Schulen waren mal offen, mal geschlossen. Es war nicht klar, wie es weitergehen würde. Dadurch haben Kinder und Jugendliche eine viel längere Zeit der Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit erlebt."

Viel mehr Suizidversuche als schwere Coronafälle

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen dieses Alters, die jeweils zwischen Mitte März und Ende Mai der beiden ersten Pandemie-Jahre wegen oder mit Corona auf einer Intensivstation behandelt wurden, ist derweil sehr viel niedriger. Das geht aus den offiziellen Daten des Instituts für das Entgeldsystem im Krankenhaus (InEK) hervor.

Gibt man dort jeweils für die Jahre 2020 und 2021 in der Eingabemaske den Kode U07.1 für eine mit PCR-Test nachgewiesene Corona-Infektion ein, setzt einen Haken bei den Altersgruppen 10 bis 15 und 16 bis 17 Jahre, stellt den entsprechenden Zeitraum ein und nimmt das Kriterium "mit Intensiv-Aufenthalt" hinzu, kommt man auf folgende Zahlen: Zwischen dem 16. März und 31. Mai 2020 wurden 71 Zehn- bis Siebzehn-Jährige mit einem positiven PCR-Test auf einer Intensivstation behandelt, ein Jahr später waren es 89. Wobei das Testergebnis immer nur als Nebendiagnose galt.

Sogar im Gesamtjahr 2021 war die Anzahl der 10- bis 17-Jährigen Corona-Intensivpatienten geringer als die mutmaßliche Anzahl an schweren Suizidversuchen in den zweieinhalb Monaten. Behandelt wurden demnach 336 Minderjährige dieses Alters. Allerdings lassen die Hauptdiagnosen, die im unteren Feld angezeigt werden, vermuten: Nur etwa 42 Prozent dieser Kinder wurden offenbar tatsächlich wegen COVID-19 behandelt. Für die anderen wurden Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes, Gehirnerschütterung oder Alkohol- und Drogenmissbrauch angegeben.

Im Ergebnis könnten demnach im Frühjahr 2021 bis zu 13-mal mehr Jugendliche durch einen Suizidversuch auf einer Intensivstation gelandet sein, als dies wegen einer COVID-19-Erkrankung der Fall war.

Maßnahmen-Analyse in weiter Ferne

Wie viele schwere Coronafälle die Maßnahmen in dieser Altersgruppe verhindert haben, ist derweil bis heute unklar. Ein Expertenrat sollte bis zum Sommer die tatsächlichen Wirkungen der Verordnungen ermitteln. Nach nunmehr fast zweieinhalb Jahren wird dies wohl erneut nichts werden. Denn kürzlich hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dafür plädiert, die Auswertung um ein Jahr zu verschieben. Der Grund: Es lägen nicht genügend Daten vor.

Dabei war eigentlich schon im Sommer 2020 klar, dass Minderjährige nur sehr selten schwer am Coronavirus erkranken. Trotzdem wurden sie als eine der letzten Bevölkerungsgruppen, mit Ausnahme des Pflege- und Klinikpersonals, von Test- und Maskenpflichten befreit. Mancherorts müssen sie noch immer Maßnahmen über sich ergehen lassen.

In Berlin etwa müssen sich Schüler immer noch regelmäßig testen lassen. Der Senat hatte diese Pflicht kürzlich bis Pfingsten, also Anfang Juni, verlängert. Konkrete, mit Zahlen untermauerte Begründungen fehlen. In Hamburg wurde diese Pflicht für ungeimpfte Schüler gerade erst aufgehoben.

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