Meinung

Holocaust-Überlebende Vera Sharav: "Der Holocaust begann nicht erst in den Gaskammern"

Auf der Gedenkveranstaltung "75 Jahre Nürnberger Kodex" sprach die Holocaust-Überlebende Vera Sharav aus den USA. Sie verglich die aktuelle politische Situation mit den Anfängen des Nationalsozialismus, wo Grundrechte ebenfalls schrittweise aufgegeben und Menschengruppen gezielt diffamiert und ausgegrenzt wurden.
Holocaust-Überlebende Vera Sharav: "Der Holocaust begann nicht erst in den Gaskammern"Quelle: www.globallookpress.com © B. Lindenthaler / IMAGO

Am 20. August veranstaltete die Aktionsgemeinschaft "75 Jahre Nürnberger Kodex" auf der Wöhrder Wiese in Nürnberg die Gedenkveranstaltung "75 Jahre Nürnberger Kodex – Nie wieder Zwangsmedizin". Gegründet wurde die Aktionsgemeinschaft im Frühjahr 2022 von den Organisationen Stiftung Ärzte für Aufklärung sowie Ärzte stehen auf – "als Dachverband aller Organisationen und Menschen, die sich dafür einsetzen, dass die Durchführung von medizinischen Experimenten an Menschen strengsten Regeln unterworfen bleiben muss – so, wie es der Nürnberger Kodex aus gutem Grund seit 75 Jahren vorsieht."

Auf der ganztägigen Gedenkfeier trat die Holocaust-Überlebende Vera Sharav als Hauptrednerin auf. Die 85-jährige Gründerin und Präsidentin der Alliance for Human Research Protection (AHRP) war extra aus den USA angereist, um persönlich vor tausenden Besuchern der Gedenkveranstaltung zu sprechen.

Der Holocaust begann nicht erst in den Gaskammern von Auschwitz und Treblinka

Sie sei nach Nürnberg gekommen, um die aktuelle globale Bedrohung der Zivilisation in einen historischen Zusammenhang zu setzen, eröffnete Sharav ihre aufrüttelnde Rede. Im Jahr 1941, im Alter von drei Jahren, sei sie mit ihren Eltern aus ihrem rumänischen Zuhause in ein Konzentrationslager verbracht worden, wo ihr Vater an Typhus verstarb. Ihre Mutter habe sie 1944, als Rumänien aus dem Bündnis mit Nazi-Deutschland ausstieg, als Waisenkind verschickt. Sie sei mit einem Viehwagon abtransportiert worden und habe ihre Mutter erst vier Jahre später wieder getroffen.

Während des Holocausts seien moralische Werte und das soziale Gewissen systematisch ausgelöscht worden. Menschen mussten sich als Sklavenarbeiter zu Tode schuften oder wurden für medizinische Experimente missbraucht.

Jedoch habe der Holocaust nicht erst in den Gaskammern von Auschwitz und Treblinka begonnen. Ihm seien neun Jahre einer schrittweisen Einschränkung der persönlichen Freiheit und der Aufhebung gesetzlicher und bürgerlicher Rechte vorangegangen.

"Die Bühne wurde durch Angstmacherei und Hasspropaganda bereitet. Eine Reihe von demütigenden, diskriminierenden Regierungserlassen dämonisierte die Juden als 'Krankheitsüberträger'."

In Wirklichkeit sei Nazi-Deutschland vom Virus einer elitären Ideologie infiziert worden, die allen Völkermorden zugrunde liege: der Eugenik, einer Pseudowissenschaft, die vom akademischen und medizinischen Establishment in Deutschland und in den USA übernommen worden sei. Mit dieser Wissenschaft habe man Diskriminierung, Apartheid, Sterilisation, Euthanasie und Völkermord gerechtfertigt – zum "Schutze des Genpools". Um die gesamte jüdische Bevölkerung schnell und effizient zu vernichten, erließen die Nazis diskriminierende Gesetze. Die Umsetzung gewährleisteten sie mittels moderner Technologien und einer hoch qualifizierten Bürokratie – maximale Effizienz bei niedrigsten Kosten. Am Ende hatten sie in einem beispiellosen Völkermord sechs Millionen Juden und neun Millionen weitere Menschen umgebracht.

Bedrohliche aktuelle Parallelen müssen rechtzeitig erkannt und benannt werden

Der Zweck von Holocaustgedenkstätten bestehe deshalb darin, künftige Generationen zu warnen, und darüber zu informieren "wie eine aufgeklärte, zivilisierte Gesellschaft in ein völkermörderisches Universum verwandelt werden kann, das von absoluter moralischer Verderbtheit beherrscht wird." An dieser Stelle betonte die Holocaust-Überlebende, dass zur Verhinderung weiterer Holocausts parallele Entwicklungen identifiziert werden müssten:

"Wenn wir einen weiteren Holocaust verhindern wollen, müssen wir bedrohliche aktuelle Parallelen erkennen, bevor sie das Gefüge der Gesellschaft vergiften."

Dabei würden heute nur wenige Menschen die "bedrohlichen Ähnlichkeiten zwischen der aktuellen Politik und der des Naziregimes erkennen". Denn seit der Zeit des Nationalsozialismus sei das Studium der Geschichte und der meisten Geisteswissenschaften – einschließlich Philosophie, Religion und Ethik – von der Betonung der utilitaristischen Wissenschaft und Technologie überschattet worden.

Ihren Ausführungen zufolge seien jeweils durch die Ausrufung eines Ausnahmezustands – sowohl 1933 als auch 2020 – die verfassungsmäßig geschützte persönliche Freiheit, die gesetzlichen Rechte und die Bürgerrechte außer Kraft gesetzt worden, gefolgt von repressiven und diskriminierenden Verordnungen. In ihrem Vortrag stellte Sharav weitere Vergleiche an:

"Waren es 1933 vor allem Juden, die diskriminiert wurden, so sind es heute Menschen, die sich weigern, sich mit experimentellen, gentechnisch veränderten Impfstoffen impfen zu lassen.

Die Medien verbreiten ein einziges, von der Regierung diktiertes Narrativ – genau wie unter den Nazis. Eine strenge Zensur bringt Andersdenkende zum Schweigen."

Nürnberger Kodex: Die Würde des einzelnen Menschen hat Vorrang vor einem mutmaßlich höheren Wohl der Gesellschaft

Die moralische Bedeutung des Nürnberger Kodex könne man nicht hoch genug einschätzen:

"Der Nürnberger Kodex ist das maßgebliche, international anerkannte Dokument in der Geschichte der medizinischen Ethik. Dieses bahnbrechende Dokument wurde als Reaktion auf die von Ärzten und Wissenschaftlern der Nazis begangenen Gräueltaten formuliert."

Unmissverständlich bekräftige der Kodex "den Vorrang und die Würde des einzelnen Menschen" – im Gegensatz zum "höheren Wohl der Gesellschaft."

Der erste von zehn ethischen Grundsätzen, die laut den Statuten nie verändert werden dürften, lege die wichtigste ethische Forderung für medizinische Versuche fest:

"Die freiwillige Zustimmung des Probanden ist absolut unerlässlich."

Grundsätzlich sei höchstes Gebot ärztlichen Handeln: "Erstens: Schade nicht." Der Kodex setze Grenzen für die Parameter zulässiger medizinischer Experimente und mache Ärzte und Forscher persönlich dafür verantwortlich, "die Sicherheit der Versuchspersonen zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Person freiwillig und in voller Kenntnis der Sachlage ihre Einwilligung gegeben hat."

Nazi-Wissenschaftler wurden in die USA gebracht und verankerten ihre unmenschlichen Werte im US-Wissenschaftsbetrieb

Die völkermörderische Kultur des Naziregimes habe sich nach 1945 in den USA ausgebreitet. Nach dem Krieg hätten Agenten der US-Regierung entgegen der Anweisung des damaligen US-Präsidenten Harry Truman 1.600 hochrangige Nazi-Wissenschaftler, -Ärzte und  -Ingenieure im Rahmen der "Operation Paperclip" der Nürnberger Justiz entzogen und in die USA verbracht. In hochrangigen Positionen hätten sie in großen US-amerikanischen wissenschaftlichen und medizinischen Einrichtungen ihre Arbeit fortgesetzt und neben Nazi-Methoden auch die unmoralische Missachtung menschlicher Werte in den USA verankert.

Sharav zitierte dazu auch Präsident Dwight Eisenhower aus seiner Abschiedsrede an die Nation im Jahr 1961, als er vor der zunehmenden Dominanz des "militärisch-industriellen Komplexes" sprach, dessen "totaler Einfluss – wirtschaftlich, politisch und sogar spirituell – zu spüren sei." Schon zu jener Zeit habe Eisenhower gewarnt, mit den Worten:

"Wir müssen uns der Gefahr bewusst sein, dass die öffentliche Politik selbst zur Gefangenen einer wissenschaftlich-technologischen Elite werden könnte."

Im Jahr 1979 habe ein Bericht der US-Kommission über den Holocaust an den US-Präsidenten unter dem Vorsitz des Auschwitz-Überlebenden Elie Wiesel festgestellt: 

"Die Neigung, die Option der Nazis zu duplizieren und erneut Millionen von Menschen zu vernichten, bleibt eine abscheuliche Bedrohung."

Mit scharfen Worten verurteilte Sharav die Menschen, die Holocaust-Vergleiche nicht zulassen wollen:

"Diejenigen, die erklären, dass Analogien zum Holocaust 'tabu' sind, verraten die Opfer des Holocausts, indem sie die Relevanz des Holocausts leugnen."

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