Meinung

Rolf Mützenich und die Terrorliste der Ukraine

Nachdem bekannt wurde, dass der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich von Kiew auf eine Terrorliste gesetzt wurde, setzte eine regelrecht Kampagne gegen Mützenich ein. Offensichtlich geht es darum, Mützenich, einen der wenigen noch aufrichtigen Berliner Politiker, zu diskreditieren, meint Wolfgang Bittner.
Rolf Mützenich und die Terrorliste der UkraineQuelle: www.globallookpress.com © Carsten Koall/dpa

Von Wolfgang Bittner

Im Juli dieses Jahres wurde von einem ukrainischen "Zentrum zur Desinformationsbekämpfung", das dem Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij untersteht, eine schwarze Liste veröffentlicht, auf der auch Persönlichkeiten aus Deutschland stehen, unter anderem der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich. Die Liste mit Namen, Foto, Funktionsbezeichnung und einer kurzen Erläuterung zur "Verfehlung" war etwa drei Wochen lang im Internet einsehbar.

Der Leiter des Zentrums zur Desinformationsbekämpfung, Andrei Schapowalow, bezeichnete die Personen auf der schwarzen Liste als "Informationsterroristen", die damit rechnen müssen, als "Kriegsverbrecher" verfolgt zu werden. Dazu schrieb der ehemalige Geheimdienstoffizier des US-Marine-Corps und UN-Waffeninspekteur Scott Ritter, der ebenfalls betroffen ist, die Ukraine habe "in der Vergangenheit 'schwarze Listen' dieser Art in 'Tötungslisten' umgewandelt, sodass diejenigen, die sich gegen die Politik der ukrainischen Regierung aussprechen, ermordet oder mit Gewalt bedroht werden."

Mützenich, der sich bedroht fühlt, sagte auf einem Debattenkonvent der SPD am 5. November: "Ich bin schon irritiert gewesen, dass ich von der ukrainischen Regierung auf eine Terrorliste gesetzt wurde mit der Begründung, ich setze mich für einen Waffenstillstand ein oder für die Möglichkeit, über lokale Waffenruhen auch in weitere diplomatische Schritte zu gehen." Und er fügte hinzu: "Auf dieser Grundlage, dass man auf diese Terrorliste der ukrainischen Regierung gekommen ist, hat man ja sozusagen dann auch Sekundärdrohungen bekommen. Auch nicht gerade einfach, damit umzugehen."

Daraufhin setzte eine regelrechte Kampagne gegen Mützenich ein. Vertreter der ukrainischen Regierung bestritten trotz eindeutiger Beweise die Existenz einer derartigen Terrorliste. Der Außenministeriumssprecher Oleg Nikolenko behauptete auf Facebook: "Die ukrainische Regierung führt keine Terrorliste." Und der ukrainische Ex-Botschafter in Deutschland, Andrei Melnyk, griff Mützenich auf Twitter an: "Es gibt keine 'Terrorliste' der ukrainischen Regierung. Hören Sie mal auf, sich als 'unschuldiges Opfer' darzustellen."

In den deutschen Medien wurde Mützenich unter anderem der "Falschbehauptung" bezichtigt und infrage gestellt, dass es sich bei der ukrainischen schwarzen Liste um eine Terrorliste handelt. Der Tagesspiegel titelte "Mützenich verärgert Ukraine", in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde ihm vorgeworfen, das "Misstrauen" der Ukraine gegenüber Deutschland zu verstärken, die Zeit unterstellte, "Mützenich verärgert Ukraine mit 'Terrorlisten-Vorwurf'", und für den Spiegel ist Mützenichs Empörung "aufgebauscht".

In der ARD-Tagesschau hieß es: "Propaganda und Desinformation – sie waren schon vor Beginn des Krieges in der Ostukraine 2014 ein wichtiger Bestandteil des hybriden Krieges gegen die Ukraine. Geführt nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch im Informationsraum, in den Medien, im Internet, in der Ukraine, aber auch im Ausland. Schon während der Maidan-Proteste im Winter 2013 in Kiew verbreitete Russland die Behauptung, es handele sich um einen faschistischen Putsch. Ein Mythos ... Die Ukraine sieht sich auch in einem Informationskrieg – und sie versucht ihn zu gewinnen. Das 'Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation' ist da nur eine Gegenmaßnahme."

Offensichtlich geht es darum, Mützenich, einen der wenigen noch aufrichtigen Berliner Politiker, zu diskreditieren und mundtot zu machen. Zwar hat der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil zugunsten von Mützenich Stellung genommen: "Um das ganz klar zu sagen, ein Fraktionsvorsitzender der SPD, der größten Regierungsfraktion, der gehört nicht auf eine solche Liste. Und der hat die volle Solidarität der SPD, da stehen wir alle an deiner Seite." Aber was hat diese Erklärung, die kaum öffentlich wurde, bewirkt? Die Bedrohung ist nach wie vor akut und wird von einer Mehrzahl der Politiker und Journalisten – im Rahmen der aus Washington verordneten "unverbrüchlichen Solidarität" mit der Ukraine – zulasten der Betroffenen in skandalöser Weise heruntergespielt.

Festzuhalten ist: Die Zurschaustellung von Personen, die sich kritisch zur ukrainischen Politik geäußert haben, auf einer Terrorliste ist eine Schande und ein deutliches Zeichen für die tatsächlichen Zustände in der Ukraine. Auch wenn diese Feindliste von der Webseite des Zentrums zur Desinformationsbekämpfung entfernt wurde, ist sie natürlich nicht aus der Welt. Sie kursiert noch und kann zum Beispiel weiterhin in einem Archiv zum Anzeigen des früheren Standes einer Webseite aufgerufen werden. Dass sie nach wie vor Wirkung entfaltet, zeigt sich an der Bedrohungssituation, von der nicht nur Mützenich und Ritter sprechen. Anstatt das ernst zu nehmen, wird es ganz einfach relativiert und als Übertreibung dargestellt – ein Zeichen für die Verkommenheit politisch Verantwortlicher und ihrer Medien.

Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner, ebenfalls ein Betroffener, lebt in Göttingen. Von ihm erschienen 2014 "Die Eroberung Europas durch die USA", 2019 "Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen" sowie "Der neue West-Ost-Konflikt" und 2021 "Deutschland – verraten und verkauft. Hintergründe und Analysen".

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