Meinung

Solidarisch oder plemplem? "Medikamenten-Flohmarkt" im Fokus der Wahrnehmungen

Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt wirkte bis dato als kompetenter Mahner und Brückenbauer in der Corona-Diskussion. Seine Aufforderung an gesunde Bürger, in Zeiten der Arzneimittelknappheit Flohmärkten für Medikamente zu schaffen und solidarisch die Hausapotheke zur Verfügung zu stellen, ist dagegen bizarr und fahrlässig.
Solidarisch oder plemplem? "Medikamenten-Flohmarkt" im Fokus der WahrnehmungenQuelle: Gettyimages.ru © Natalia Kostikova / EyeEm

Von Bernhard Loyen

Mitmenschen, die auch weiterhin reflektierend versuchen, den alltäglichen Wahnsinn standhaft zu meistern, konnten am 18. Dezember erneut nur kopfschüttelnd realisieren: Wir leben in unwirklichen und bizarren Zeiten.

Der leitende Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, äußerte jüngst gegenüber dem Berliner Tagesspiegel seine Vorstellungen bezüglich eines vermeintlich benötigten Solidargedankens in der Gesellschaft. Das Stichwort, also Problem, ist eine Arzneimittelknappheit in Deutschland. Hausgemachte, also politische Gründe für diese skandalöse Realität sollen hierbei nicht weiter erläutert werden. Betrachtet werden muss die absurde Empfehlung eines leitenden Mediziners. So diktierte er dem Tagesspiegel-Autoren ins Mikrofon:

"Jetzt hilft nur Solidarität. Wer gesund ist, muss vorrätige Arznei an Kranke abgeben. Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft."

Viele Bürger hatten bis zuletzt die Hoffnung, dass wenigstens Dr. Klaus Reinhardt jemanden darstellt, dessen Aussagen und Empfehlungen weiterhin ernst genommen werden könnten. Möglicherweise war er unkonzentriert bei der Sache. Etwaig waren die anderen Fragen im Interview, gestellt durch den Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff persönlich, so trivial, dass er etwas kontroverses beifügen wollte. Vielleicht saß man aber auch nur zu zweit bei einem Essen beisammen und dachte sich, "komm', lass uns schön was für den Verkauf und die Klickzahlen machen." Man weiß es nicht.

Interessant wird es bei der Betrachtung der medialen Berichterstattung zum gewagten Vorschlag. Gewagt, weil Dr. Reinhardts Vorstellungen so weit gehen, dass auch Arzneimittel genutzt werden sollten, "deren Haltbarkeitsdatum bereits einige Monate abgelaufen sei". "In der Not" könnten die Bürger seiner Meinung nach "zahlreiche Medikamente immer noch gefahrlos verwenden". Diese Aussage ist schlicht grob fahrlässig. Laut Informationen des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mangelt es dem Land aktuell an 330 bekannten Medikamenten. Insgesamt sind in Deutschland rund 100.000 Arzneimittel zugelassen. Sie bemerken das Problem der Reinhardt-Aufforderung?

Der themenbezogene RT DE-Artikel stellte dementsprechend fest: "Wer darüber aber im Zweifelsfall eine fachliche Beurteilung abgeben könnte, wird in dem (Tagesspiegel-)Artikel nicht dargelegt." Die ARD-Tagesschau titelte in der Ausgabe vom 18. Dezember (16:50 Uhr): "Arzneimittelknappheit – Ärzte für Flohmarkt für Medikamente". Dies suggeriert, die Idee ist schon von mehreren fachspezifischen Personen erwogen worden, stellt also eine bewusste Fehlinformation dar für die Zuschauer. In der 20:00-Uhr-Ausgabe lautete der Titel zum Thema dann: "Arzneimittelknappheit – Aufruf zum Teilen von Medikamenten". Der Moderator informierte die 19,4 Millionen Zuschauer irreführend, dass die gesamte Bundesärztekammer den Vorschlag unter das Volk brachte, nicht nur Herr Reinhardt im Interview. Die fahrlässige Zusatzinformation zum Hinweis, also Vorschlag, der unproblematischen Verteilung von Arzneiprodukten mit verstrichenen Haltbarkeitsdaten wurde ebenfalls unkommentiert übernommen.

Ebenfalls am 18. November kommentierte umgehend auf Twitter der ehemalige Leiter des bayerischen Gesundheitsamts Aichach-Friedberg, Dr. Friedrich Pürner:

"Als Arzt rate ich dringend von nachbarschaftlicher Aushilfe mit Medikamenten ab. Helfen Sie gerne bei Eiern, Nudeln, Butter und Kondomen aus – aber nicht, wenn es um Medikamente geht. Verordnung und Ausgabe von Medikamenten gehören in die Hände von Ärzten und Apothekern."

Zu Wochenbeginn stellte nun der Präsident der Bundesapothekerkammer, Thomas Benkert, unmissverständlich klar:

"Arzneimittel gehören in Apotheken, nicht auf den Flohmarkt – schon gar keine abgelaufenen Arzneimittel. Es schockiert mich, dass der Präsident der Bundesärztekammer Derartiges öffentlich vorschlägt. Verfallene Arzneimittel können die Gesundheit der Patientinnen und Patienten massiv gefährden, ganz abgesehen von haftungsrechtlichen Fragen. Zudem steht die Gesetzeslage dem klar entgegen und die aktuelle Situation eignet sich nicht für Populismus."

Der Präsident des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg, Frank Eickmann, befindet die Initiative von Reinhardt als "absurd". "Allein der Zustand vieler Hausapotheken mache es nicht möglich, Tabletten auszutauschen. Fehlende Beschriftungen, lose Blister und Tabletten, bei denen das Haltbarkeitsdatum nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden könne, sollten nicht ohne ärztlichen Rat ausgetauscht werden", so Eickmann. Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung) kommentierte: "Wir warnen davor, gebrauchte oder gar abgelaufene Arzneimittel im Nachbarschafts- oder Freundeskreis zu tauschen oder abzugeben. Das Risiko ist zu groß."

In den sozialen Medien wurde nicht überraschend unter dem #Medikamentenflohmarkt die bizarre Idee des Präsidenten der Bundesärztekammer kopfschüttelnd, belustigt bis hin zu zynischen Kommentierungen wahrgenommen. So hieß es auf dem Portal Twitter:

  • Weiß man schon, ob der #Medikamentenflohmarkt Zigaretten als Zahlungsmittel akzeptiert?
  • Ich mache als Hebamme alles falsch. Ich hätte zuerst mit Masken dealen, dann ein Testcenter eröffnen und jetzt mit einem #Medikamentenflohmarkt abgelaufene Medikamente verscherbeln sollen.
  • Der Vorschlag eines #Medikamentenflohmarkt zeigt den ganzen jämmerlichen Zustand unseres Landes.
  • Der #Medikamentenflohmarkt muss nicht erst erfunden werden. Den gibt's schon in diversen Parkanlagen, wie dem Görli (Görlitzer Bahnhof in Berlin, bekannt als Drogenumschlagsplatz)
  • Es ist aber schon klar, sollte der #Medikamentenflohmarkt eröffnen, dass kriminelle Banden diesen nutzen werden, um wichtige Medikamente zu verscherbeln. Leute, die solche Vorschläge machen, denken von der Tapete bis zur Wand.

Kritische Menschen haben in den letzten zwei Jahren gelernt beziehungsweise mussten feststellen, dass Mitbürger sich neuartige mRNA-Wirkstoffe ohne entsprechende und dringend benötigte ärztliche Aufklärung für eine Gratis-Clubnacht oder Gratis-Bratwürste verabreichen ließen. Variabel als Impfstatist und Gast in einer Pro Sieben-Sendung, im Rahmen von Freikarten für Fußballspiele oder mal ganz verrückt sich "mit dem Luxusauto zur Impfung" kutschieren ließen. Notfalls wurde bestochen, als natürlich reiner Akt der Solidarität und Mitmenschlichkeit. Im November 2021 hieß es daher: "5.000 Euro fürs Impfen: Firma bietet Mitarbeitern hohe Prämie". Wie gewohnt lauter und größer ein Beispiel aus den USA. Dort konnten im Mai 2021 in einer "Corona-Lotterie" im US-Bundesstaat Ohio eine Million Dollar gewonnen werden. 

Der Titel einer populären Spielshow des ZDF in den 1960/70er Jahren hatte schon den passenden Namen für unsere "Plemplem-Gegenwart": Der goldene Schuss.

Zusammenfassend lässt sich bei ruhiger Betrachtung des Vorgangs resümieren, dass diese formulierte Idee, inklusive klar definierter Aufforderungen, seitens eines leitenden Mediziners, weder kreativ und innovativ, noch lustig oder amüsant ist. Sie ist vornehmlich fahrlässig und dazu überflüssig, wie der berüchtigte Kropf. Dass Menschen, also Mitbürger, mittlerweile mental vollkommen schmerzfrei und nachweislich mehr als bedenklich manipulierbar sind, sollte ein Dr. Klaus Reinhardt als "Mann vom Fach" vor Abgabe solcher Interview-Statements mehr als berücksichtigen.

Von Herrn Reinhardt ist seit Wochenbeginn nichts mehr zu vernehmen. Laut der Deutschen Presse-Agentur hätte das Bundesgesundheitsministerium "die Äußerungen auf Nachfragen hin am Montag nicht kommentiert". Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) befand es am 18. Dezember, dem Tag der Medikamenten-Flohmarkts-Initiative, anscheinend für wichtiger, ein Statement zu Elon Musk abzugeben. Aus diesem sei laut Lauterbach von "einem erfolgreichen Visionär für Elektroautos und für eine bessere Umwelt ein zwielichtiger Rechtspopulist ohne Geschäftssinn" geworden.

Wir leben weiterhin in unwirklichen und bizarren Zeiten.

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