Meinung

Friedensverhandlungen torpediert und Unterhändler vom ukrainischen Geheimdienst erschossen

Im März 2022 wurde ein Unterhändler Kiews vom ukrainischen Geheimdienst auf offener Straße erschossen – angeblicher Vorwurf: Hochverrat. Jetzt wurde er posthum von diesem Vorwurf freigesprochen. Der gesamte Vorgang wirft ein Schlaglicht auf die Zustände in der Ukraine und den Unwillen des Westens zum Frieden.
Friedensverhandlungen torpediert und Unterhändler vom ukrainischen Geheimdienst erschossenQuelle: Gettyimages.ru © NurPhoto / Kontributor

Von Gert Ewen Ungar

Wie das Büro des ukrainischen Präsidenten Selenskij mitteilt, war der im März des vergangenen Jahres vom ukrainischen Geheimdienst erschossene Unterhändler Denis Kirejew doch kein russischer Spion. Kirejew war im vergangenen März in Kiew auf offener Straße vom ukrainischen Geheimdienst SBU erschossen worden, Denn er hatte sich seiner Verhaftung widersetzt und wurde kurzerhand im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt getötet. Der ukrainische Geheimdienst hatte behauptet, Kirejew hätte bei den Verhandlungen in Weißrussland für die russische Seite spioniert und wollte ihn wegen Verdachts auf Hochverrat festnehmen.

Selenskijs Büro spricht Kirejew jetzt – neun Monate zu spät – vom Vorwurf der Spionage frei. Er habe im Gegenteil den Auftrag gehabt, die Verhandlungen mit Russland in die Länge zu ziehen, gesteht der Chef des militärischen Nachrichtendienstes der Ukraine, Kirill Budanow. Dadurch sollte der Ukraine noch mehr Zeit verschafft werden. Ein Sprecher Selenskijs kommentierte, Kirejew sei leider zum Opfer gegeneinander arbeitender Strukturen im ukrainischen Machtapparat geworden. 

Der Vorgang wirft ein Schlaglicht auf mehrere Aspekte des aktuellen militärischen Konflikts, die kaum beachtet werden. Der wichtigste Aspekt: der Konflikt hätte bereits im April 2022 zu einem für beide Seiten erträglichen Ende kommen können. Bereits vier Tage nach Beginn der militärischen Spezialoperation trafen sich in Weißrussland russische und ukrainische Unterhändler. Eine in zähen Verhandlungen erzielte Vereinbarung zwischen Russland und der Ukraine lag schon im März unterschriftsreif vor. Diese wichtigsten Punkte der Vereinbarung sahen vor, dass Russland sich hinter die Linien vom 23. Februar 2022 zurückzieht und die Ukraine künftig neutral bleibt, also nicht der NATO beitritt. Die Parteien einigten sich darauf, die Krim-Frage nicht anzutasten. Bei zukünftigen Verhandlungen wird auch aus heutiger Sicht kaum mehr zu erzielen sein. Dennoch hat der Westen diese Vereinbarung hintertrieben – wie übrigens schon Vereinbarungen Minsk 2 – und verhindert bis heute weiterhin Gespräche über eine Ende der Kampfhandlungen.

Was nämlich dann seit April 2022 folgte, wirft kein gutes Licht auf den Westen und dessen angebliches Interesse am Frieden und Wohlergehen der Ukraine. Im Gegenteil, dabei wird deutlich, dass der Westen den Krieg und die Eskalation mit allen erdenklichen Kräften anfeuert. Die Schlussfolgerung, der Krieg in der Ukraine sei ein Stellvertreterkonflikt zwischen Russland und dem kollektiven Westen, wird durch die historischen Abläufe untermauert. 

Denn bereits während der laufenden Verhandlungen von Ende Februar bis Anfang März 2022 sagte die Europäische Union (EU) dem Kiewer Regime kostenlose Waffenlieferungen zu. Nach einem Treffen des damaligen britischen Premierministers Boris Johnson mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskij Anfang April zog sich "ganz plötzlich" die Ukraine aus der unterschriftsreifen Vereinbarung zurück. Seitdem eskaliert der Konflikt ununterbrochen. 

Die Zeitung Ukrainska Prawda schrieb schon im Mai 2022, der überraschende Besuch Johnsons in Kiew hätte vor allem zum Ziel gehabt, Selenskij zwei Botschaften zu vermitteln: 

"Die erste ist, dass Putin ein Kriegsverbrecher ist, der unter Druck gesetzt werden muss, und niemand sei, mit dem man verhandelt. Die zweite ist, dass – selbst wenn die Ukraine bereit sei, Vereinbarungen mit Russland zu unterzeichnen – es der Westen nicht sei."

Drei Tage nach der Abreise von Johnson aus Kiew konstatierte Putin vor der Öffentlichkeit, die Verhandlungen würden derzeit in einer Sackgasse stecken. 

Seitdem kocht der Konflikt in der Ukraine auf immer größer werdender Flamme vor sich hin. Der Westen dreht die Temperatur immer höher. Ohne westliche finanzielle und militärische Unterstützung wäre der Krieg übrigens längst vorbei, denn die Ukraine verfügt über keinerlei eigene Mittel, diesen Krieg noch länger zu führen. Ohne westliche Einmischung in die Verhandlungen und unentwegte Waffenlieferungen würde – so oder so – längst wieder Frieden herrschen.

Westliche Politiker verstecken sich seit Anbeginn hinter einer angeblichen "Souveränität" der Ukraine, die ihre Kriegsziele vorgeblich selbst festlegen würde. Dabei war und ist diese Ukraine vollkommen vom Westen abhängig. Es ist seit Jahren völlig unglaubwürdig, der Westen ließe der Ukraine freie Hand hinsichtlich ihrer Entscheidungen. Alle Entwicklungen machen deutlich: Der Westen wollte und will bis heute diesen Krieg.

Westliche Politiker – wie beispielsweise die derzeitige deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) – behaupten entgegen allen Tatsachen, Russland lehne Verhandlungen ab. Die Abläufe machen deutlich, dass Russland unmittelbar nach Beginn der militärischen Spezialoperation Verhandlungsbereitschaft gezeigt und auch sehr kompromissbereit verhandelt hat. Politiker wie Baerbock treiben die Ukraine aktiv ins Verderben, denn die Ziele, die zahlreiche deutsche und westliche Politiker verfolgen, sind nicht realisierbar. 

So strebt Baerbock angeblich mit den westlichen Waffenlieferungen einen militärischen Sieg der Ukraine über Russland an, mit dem Ziel, der Ukraine dadurch zu einer "guten Verhandlungsposition" zu verhelfen. Dieser neuerliche deutsche Wille zum totalen Krieg gegen Russland wird absehbar zur völligen Zerstörung, allerdings der Ukraine, führen. 

Die bizarren Vorgänge, die eingangs erwähnte politische Intrige in Verbindung mit einer öffentlicher Erschießung aus einem nun schließlich widerrufenen Grund, die sich rund um die Verhandlungen abgespielt haben, bedeuten dreierlei: Der Westen hat kein Interesse am Frieden in der Ukraine und in Europa. Das Schicksal der Ukraine, der Ukrainerinnen und der Ukrainer ist dabei nicht von Interesse, Denn es geht um bloße Macht und geopolitischen Einfluss. Und am wichtigsten, der Westen betreibt die Eskalation mit dem Ziel, Russland dauerhaft in den Konflikt zu binden und so zu schwächen oder aufzureiben.

Alles, was nach dem April 2022 kam – die Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur, die Referenden mit dem Beitritt der Gebiete im Südosten der Ukraine zur Russischen Föderation, all die Opfer, die der Konflikt nach Abbruch der Friedensverhandlungen gekostet hatte –, hätte vermieden werden können, wenn der Westen nicht auf Eskalation gedrängt hätte. Das tagtäglich im Sinne ihrer Kriegspropaganda für die Öffentlichkeit zur Schau gestellte Entsetzen westlicher Medien und westlicher Politiker über die Entwicklung in der Ukraine wirkt angesichts des tatsächlichen Ablaufs der Ereignisse geheuchelt und verlogen.

Zudem wird deutlich, dass auch im inneren Machtzirkel der Ukraine ein Kampf tobt. Für zahlreiche politische Figuren in der Ukraine hängt deren Existenz unmittelbar mit dem Krieg zusammen. Auch sie haben an einer Beendigung des Krieges kein Interesse. Gleichzeitig zeigt das, wie weit die Ukraine von dem entfernt ist, was sich Rechtsstaatlichkeit nennt. Ein wichtiger Unterhändler wird des Hochverrats verdächtig und erschossen. Nachdem seine Unschuld anerkannt ist, passiert – nichts! Niemand wird zur Rechenschaft gezogen. Der Vorgang ist so unglaublich weit von all dem entfernt, wofür die EU stets vorgibt zu stehen und wofür die Ukraine angeblich "in unser aller Namen" kämpft. Nein, auch die Ukraine hat mit den geheuchelten westlichen Werten nichts am Hut. Selbst Teile der ukrainischen Elite haben ein persönliches Interesse an einem langen Krieg, denn er sichert ihre lukrativen Posten, ihren Einfluss und ernährt sie. 

Drittens ist zudem offensichtlich, dass Russland die militärische Fähigkeit hat, die Eskalationsschritte des Westens problemlos mitzugehen. Seit dem Abbruch der Gespräche im April liefert der Westen in einem beispiellosen Ausmaß Waffen an die Ukraine. Begleitet wird das von umfassenden Sanktionen, die unter anderem eine wirtschaftliche Schwächung Russlands erreichen sollen, um so Russland die Finanzierung des Krieges zu erschweren. Beides ist nicht gelungen. Russland kann noch immer zu jedem beliebigen Zeitpunkt jeden beliebigen Ort in der Ukraine angreifen und zerstören, ohne dass die Ukraine dem viel entgegenzusetzen hätte. Die Waffenlieferungen haben lediglich zu einer Eskalation der Gewalt geführt. Weitere Waffenlieferungen setzen diesen Pfad der Eskalation lediglich fort. Sie werden ihn nicht beenden. 

Wie die aktuellen Entwicklungen zeigen, verfügt der Westen über keinen Plan zum Ausstieg aus der Eskalationsspirale, die er in Gang gesetzt hat. Das nächste Ziel ist dabei augenscheinlich, Deutschland über die Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 unleugbar zur Kriegspartei zu machen und in die Auseinandersetzung mit Russland zu zwingen. 

Dabei ist klar: je länger dieser Krieg dauert, desto umfassender wird die Ukraine zerstört und desto größer sind auch der Schaden und die Gefahren für Europa. Der Konflikt hat das Potenzial, zur vollständigen Vernichtung Europas führen zu können. Es wäre daher dringend notwendig, die Ukraine wieder in den Stand zu versetzen, der es ihr erlaubt, an Verhandlungen teilzunehmen. Europa und die Welt brauchen dringend eine Besinnung der politisch Verantwortlichen darauf, wie man die Eskalationsspirale stoppen kann. Ein Blick auf den bisherigen historischen Verlauf zeigt aber auch: Alles, was nach April 2022 in der Ukraine passierte, hat der kollektive Westen zu verantworten, der seinen unnachgiebigen Willen zum Krieg mit der Sabotage der Friedensverhandlungen bewiesen hat.

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