Meinung

Wer nicht passt, wird rausgedrängt: Über den Umgang mit "missliebigen" Meinungen in Deutschland

Man kann es nicht mehr leugnen: Es gibt in Deutschland politische Säuberungen. Menschen mit konträren Meinungen und einer auch nur angeblich zu großen Nähe zu Russland sollen aus dem öffentlichen Raum verbannt werden. Der Diffamierung ist Tür und Tor geöffnet.
Wer nicht passt, wird rausgedrängt: Über den Umgang mit "missliebigen" Meinungen in DeutschlandQuelle: www.globallookpress.com © Rolf Vennenbernd

Von Gert Ewen Ungar

Kann sich noch jemand an Rommy Arndt erinnern? Rommy Arndt hat im Januar für den öffentlich-rechtlichen Sender MDR einen Hörfunk-Kommentar zum Thema Panzerlieferungen an die Ukraine gesprochen. Sie war gegen Panzerlieferungen und es war ihr erster Kommentar für den MDR. Offenbar war es auch ihr Letzter. Sie erntete für ihre Meinung einen Shitstorm, der sich gewaschen hat.

Die Forderungen reichten bis hin zu Berufsverbot, die bundesrepublikanische Waffenlobby drosch auf Arndt ein, was das Zeug hielt. Der MDR sah sich zu einer Klarstellung genötigt. Rommy Arndt bekam auch sehr viel Zuspruch, wurde für ihren Mut gelobt, eine Meinung öffentlich zu äußern, die konträr zur veröffentlichten Meinung steht.

Allerdings saßen diejenigen, die sich für Arndt einsetzten, nicht in den entsprechenden politischen Gremien und nicht in den Redaktionen deutscher Medien. Rommy Arndt ist inzwischen wie von der Bildfläche verschwunden. Über ihre Webseite habe ich zweimal versucht, Kontakt aufzunehmen ‒ sie antwortet nicht. Zumindest mir nicht ‒ ich bin bei RT DE, da kommen die Antworten aus Deutschland ohnehin nur spärlich. Mit dem Sender der Russen spricht man nicht. 

Man kann nur mutmaßen, was konkret passiert ist, aber Rommy Arndt wäre nicht die Erste und nicht die Einzige, die aufgrund einer falschen Meinung, einer falschen Haltung die Karriere eingebüßt hätte. Man sollte das, worum es hier geht, laut und brüsk aussprechen, denn es ist ein Skandal: Deutschland betreibt Säuberungen. 

Das jüngste prominente Opfer ist So-yeon Schröder-Kim, die Frau des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (immer noch SPD). Ihr wurde ein Besuch in der russischen Botschaft anlässlich eines Empfangs zur Feier des Kriegsendes zum Verhängnis. Schröder-Kim arbeitete für die NRW.Global Business, die dem Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalens untersteht. Das Wirtschaftsministerium entließ Schröder-Kim fristlos unter Hinweis auf die Teilnahme am Botschaftsempfang. Mit dem Russen feiert man nicht. Schon gar nicht das Kriegsende 1945.

Zuvor wurde dem NDR-Journalisten Patrik Baab der Lehrauftrag an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft gekündigt. Sein Vergehen: Er war während der Zeit der Unabhängigkeitsreferenden im Donbass und hat sich vor Ort einen Eindruck verschafft. Das geht nicht. Zumindest nicht in Deutschland in seinem aktuellen geistigen Zustand. 

Baab konnte sich inzwischen vor Gericht durchsetzen. Die Uni musste seine Absetzung widerrufen. Aber der Vorgang zieht natürlich Kreise und wirft ein absolut schlechtes Licht auf Deutschland.

Auch die Publizistin und Professorin für Europapolitik an der Universität Bonn, Ulrike Guérot, musste ihre Weiterbeschäftigung vor Gericht erstreiten. Kündigungsgrund auch hier: falsche Meinung. 

Dem Journalisten Ulrich Heyden hat die Wochenzeitung Der Freitag die weitere Beschäftigung verweigert. Zu ukrainekritisch. 

Dem wenig witzigen Satiriker Jan Böhmermann war es mit falschen Anschuldigungen gelungen, die Entlassung des Chefs des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Arne Schönbohm, zu bewirken. Zu große Nähe zu Russland, war der Vorwurf.

Innenministerin Nancy Faeser wartete irgendwelche Ermittlungen gar nicht erst ab, sondern entließ Schönbohm umgehend. Die Anschuldigungen erwiesen sich als falsch. Böhmermann muss dennoch nicht mit Entlassung rechnen. Er schwimmt mit dem Strom und wettert gegen Russland. Da kann nichts passieren. Das liegt im Trend.

Böhmermann ist ein Mitläufer, wie man ihn in Deutschland schon aus Gründen der Tradition gern hofiert. Diffamieren ist in Deutschland okay, Verleumden auch, Nähe zu Russland dagegen nicht. Schon der Verdacht ist für das Karriereende ausreichend. Deutschland läuft wieder mal gehörig aus der Spur und wieder mal auf die schon bekannte Weise.  

Auch im Wirtschaftsministerium grassiert die Angst vorm Iwan, und Staatssekretäre, die zu Sachthemen eine andere Meinung äußern als Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), lässt dieser vom Verfassungsschutz überprüfen. Dabei ist jedem in Russland klar, dass von der deutschen Wirtschaft in den nächsten Dekaden keine großen Impulse ausgehen werden. Für diese Erkenntnis muss man das Wirtschaftsministerium nicht unterwandern. 

Dagegen wittert Habeck im Zusammenhang mit dem Rücktritt des Staatssekretärs Graichen eine russische Verschwörung. Anfeindungen von rechts und die Lügen von prorussischen Accounts gegen Graichen seien unerträglich, meint dieser in einer Pressekonferenz.

Er macht prorussische, rechte Kräfte für den Zwang zum Rücktritt verantwortlich. Dabei ging es eigentlich um den Vorwurf von Einstellungen bei zu großer familiärer Nähe unter Missachtung der Ausschreibungsregeln. Was Russland damit zu tun haben soll, bleibt unklar. Aber es sagt natürlich viel über den geistigen Zustand des Wirtschaftsministers, wenn dieser in der Graichen-Affäre Russland am Werk sieht. Es deutet auf eine Mischung aus Größenwahn und Paranoia. 

Man könnte es noch fortsetzen. Klar ist: In Deutschland, dort vor allem in Medien und Politik, werden Säuberungen betrieben. Es wird ausgemerzt. Man ruft zur Hatz auf, diesmal zur Hatz auf Russen und jene, die Russen nahestehen. Man lenkt so ab von inneren Differenzen, von eigenen Defiziten, vermeidet notwendige, inhaltliche Diskussionen. Man hat einen Sündenbock. Deutschland entfernt sich in seinem Russenhass von den Grundsätzen eines demokratischen, dem Pluralismus verpflichteten Staates immer weiter.

Man glaubt in Deutschland wieder ganz offiziell an die große Verschwörung. Nicht die jüdisch-bolschewistische, dieses Mal ist es die russische Verschwörung, die sich aber wie ein Krebsgeschwür in die deutsche Gesellschaft hinein ausbreitet und ausgemerzt werden muss. Es braucht diese Säuberungen, denn der Iwan ist dabei, Deutschland zu unterwandern. 

Überall sieht man in Deutschland prorussische Accounts am Werk, Trollfabriken arbeiten Tag und Nacht, um die Meinung der Deutschen zu beeinflussen, Putin sichert sich Einfluss im Verborgenen, russische Seilschaften sind überall und verbinden die politischen Extreme in Deutschland.

Man ist selbst bei der Rhetorik wieder da angekommen, wo man 1945 aufhören musste. Es ist alter deutscher Wahn in neuem Gewand. Krank ist es dennoch, und es ist eine Krankheit, für die Deutschland besonders anfällig ist. Und was am meisten Besorgnis erregt: Deutschland verfügt über keine Selbstheilungskräfte. 

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