Meinung

Die Glotze bleibt aus – Warum die Deutschen das Vertrauen in ihre Medien verlieren

Eine Studie zum Nachrichteninteresse der Deutschen stellt dem deutschen Journalismus ein Armutszeugnis aus. Er verliert weiter an Vertrauen. Mit seiner Einseitigkeit und der Preisgabe journalistischer Standards hat sich der Mainstream ins Aus manövriert. Man will es nicht mehr lesen.
Die Glotze bleibt aus – Warum die Deutschen das Vertrauen in ihre Medien verlierenQuelle: www.globallookpress.com © Joko

Von Gert Ewen Ungar

Die Tagesschau berichtet über eine Studie des Reuters Institute zur Nachrichtennutzung der Deutschen. Das Ergebnis der Studie: Das Vertrauen der Deutschen in den deutschen Journalismus ist breit eingebrochen und befindet sich auf dem niedrigsten bisher ermittelten Niveau. 

Die Tagesschau nennt das "Nachrichtenmüdigkeit" und markiert mit dieser irreführenden Headline gleich eins der zentralen Probleme des deutschen Mainstreams: Man schreibt sich die Welt schön, macht sie zur Ideologie passend und weicht den Fakten aus. Der deutsche Mainstream hat sich sowohl vor der Welt als auch vor den Anforderungen der Nachrichtenkonsumenten an ihn gut verschanzt.

Man schreibt und produziert eigentlich nur noch für sich und die Kollegen, bestätigt sich gegenseitig, die einzig korrekte Sicht auf die Dinge zu haben, und verschanzt sich in einem journalistischen Elfenbeinturm, in dem vor lauter Selbstzentriertheit alles Mögliche produziert wird, nur eben kein Journalismus. Die Entwicklung ist eigentlich dramatisch, die Tagesschau reagiert darauf mit Selbstlob. Man genieße unter all den anderen Angeboten immer noch das höchste Vertrauen, schreibt sie. Näher an den Fakten wäre es zu sagen, das Vertrauen ist für alle deutschen Nachrichtenangebote nahezu gleichmäßig erodiert. 

Ein weiterer interessanter Fakt ist, dass die Zahl der Internetnutzer, die Nachrichten aktiv meiden, seit Jahren kontinuierlich steigt. Jeder Zehnte gibt an, Nachrichten oft aktiv zu umgehen, zwei Drittel machen dies immerhin noch regelmäßig. Besonders häufig werden dabei Nachrichten zum Ukraine-Krieg weggeklickt.

Auch dafür gibt es einen guten Grund: Wie schon beim Thema Corona hat sich der deutsche Mainstream in Bezug auf den Ukraine-Konflikt von jedem journalistischen Standard komplett verabschiedet. Er hat jedes Bemühen um Ausgewogenheit und Sachlichkeit zugunsten einseitiger Propaganda aufgegeben.

Gerade die Tagesschau ist für diese Preisgabe journalistischer Ethik ein Paradebeispiel. Die Quellen sind immer die gleichen und in ihrer Einseitigkeit auch immer gleichlautend. Die Meldungen des britischen Geheimdienstes gibt die Tagesschau eins zu eins wieder, und das, obwohl sich bisher nahezu jede der Behauptungen der Briten als falsch erwiesen hat.

Ebenso verhält es sich mit den Verlautbarungen aus Kiew. Jede noch so absurde Behauptung Selenskijs wird ungefiltert wiedergegeben. Vielleicht erinnert sich noch jemand an den Kampf um Asowstal. Die Kämpfer des faschistischen Asow-Bataillons hatten sich im Werk verschanzt, das von russischen Streitkräften belagert wurde. Die Tagesschau behauptete dann unter Bezugnahme auf Selenskij, die Asow-Kämpfer würden evakuiert. Sie würden das Werk nun verlassen. Das taten sie auch, sie verließen es in Richtung Russland. Es handelte sich bei der "Evakuierung" um eine Kapitulation. Die Tagesschau hat daraus nichts gelernt, will es wohl auch nicht. Folgt man ihrer Berichterstattung, ist die monatelang hart umkämpfte Stadt Artjomowsk noch immer nicht unter Kontrolle Russlands. Die Ukraine hat das Thema fallen gelassen und die Tagesschau in der Folge dann eben auch.

Durch all diese ideologisch motivierten Fakes verlieren die Berichte ihren nachrichtlichen Wert und werden zur Desinformation. Sie sagen über das tatsächliche Geschehen nichts, vermitteln aber eine trügerische Siegesgewissheit. Selbst der Hinweis, dass Konfliktparteien als Quelle dienen, die nicht überprüft werden können, verkommt in Deutschland zur Legitimation für journalistische Minderleistung. Man versteckt sich hinter dem Hinweis, statt sich trotz der Schwierigkeiten und der Unübersichtlichkeit ernsthaft um Faktennähe zu bemühen.

Und man versteckt sich nicht nur, man verschweigt und beugt die Fakten. Sowohl nach der Sabotage von Nord Stream als auch beim Bruch des Staudamms von Kachowka präsentierte die Tagesschau sofort "Experten", die mit ihrer "Expertise" in Richtung Russland deuteten. Dass dies mit Journalismus und dem Bemühen um Objektivität nichts zu tun hat, versteht jeder, schaltet daher aus oder klickt weiter. Es ist diese einseitige, vorhersehbare Propaganda deutscher Medien, die ermüdet. Man hat es satt.

Erschwerend kommt natürlich die umfassende Zensur hinzu, die in Deutschland herrscht. Das Medienangebot wurde durch Verbot von Fernsehsendern wie RT künstlich verengt, die Vielfalt in der Berichterstattung eingeschränkt. Zudem wurde das Strafrecht verschärft, was eine tatsächlich offene Diskussion über Ursachen und Auslöser der Krise in der Ukraine und den Weg hin zum Konflikt unterbindet.

Wer den historischen Ablauf von der Einladung der NATO an die Ukraine zum Beitritt im Jahr 2008 über das EU-Assoziierungsabkommen, den Maidan-Putsch mit dem sich anschließenden Ausbruch des Bürgerkriegs im Osten des Landes und der Sabotage des Minsker Abkommens durch die Ukraine und den Westen nachzeichnet, muss in Deutschland mit Strafverfolgung rechnen, weil er damit möglicherweise einen Angriffskrieg relativiert. Diese massive Einschränkung der Meinungsfreiheit ist mindestens brisant. Trotz der weitreichenden Konsequenzen hatte die Berichterstattung dazu die Lebenserwartung einer Eintagsfliege.

Die Reuters-Studie zeigt zudem, dass es sich bei der wachsenden Skepsis der Deutschen gegenüber ihren Medien nicht um einen Ausreißer handelt. Das Vertrauen der Deutschen in die deutschen Medien erodiert seit Jahren. Schuld daran sind sie selbst, denn sie haben sich von der Politik instrumentalisieren lassen. Man möchte sich als Mediennutzer informieren, aber nicht gegängelt werden.

Dass sich der Prozess in den nächsten Jahren dreht, ist daher nicht zu erwarten. Ein Wille zur Umkehr ist beim Mainstream nicht erkennbar. Man hält am eingeschlagenen Weg fest. Wenn es für die Medien einen Schuldigen gibt, dann ist es der Nachrichtenkonsument selbst. Der ist "nachrichtenmüde", wie die Tagesschau schreibt. Dass die deutschen Nachrichten in ihrer berechenbaren Einseitigkeit einschläfernd wirken, dieser Tatsache verweigert man sich im journalistischen Elfenbeinturm und klopft sich gegenseitig anerkennend auf die Schulter. Wir machen guten Journalismus, es versteht uns nur keiner. In diesem Sinn hebt die Tagesschau in ihrem Beitrag hervor, dass

"... insgesamt 47 Prozent der erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland (sagen), dass öffentlich finanzierte Nachrichtenmedien wie ARD und ZDF für sie persönlich wichtig sind".

Das heißt, eine Mehrheit von 53 Prozent sagt das nicht. Wegen genau dieser Schönfärberei lassen viele die Glotze einfach aus. 

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