Deutschland

Die Russophobie wurde zu einem Instrument im innerdeutschen Machtkampf

Mithilfe der Russophobie halten die USA Deutschland auf transatlantischem Kurs. Sie wird aber auch zu einer Waffe im innenpolitischen Machtkampf: Mit unterstellter Russland-Nähe lassen sich politische Konkurrenten wie etwa die AfD effektiv ausschalten.
Die Russophobie wurde zu einem Instrument im innerdeutschen MachtkampfQuelle: AFP © John MACDOUGALL / AFP

Von Pjotr Akopow, RIA Nowosti

Obwohl der Bruch mit Russland in Deutschland als weitgehend vollzogen angesehen wird, werden die deutschen Eliten unser Land weiterhin zu ihrem Vorteil schwarzmalen. Russland ist eines der wichtigsten Themen im innerdeutschen politischen Machtkampf. Unter dem Vorwand des "Kampfes gegen den russischen Einfluss" wollen deutsche Politiker Rivalen ausschalten, die an Stärke gewinnen.

Die Popularität der antisystemischen Kräfte in Deutschland nimmt stark zu. Die wichtigste Anti-Elite-Partei des Landes, die "Alternative für Deutschland", die nicht nur als rechts, sondern sogar als rechtsextrem bezeichnet wird, hat ihre Popularität innerhalb eines Jahres verdoppelt. Im Juni 2022 waren zehn Prozent der Wähler bereit, für diese Partei zu stimmen, während sie jetzt in Umfragen fast 20 Prozent erreicht.

Parallel dazu sinkt die Popularität der Systemparteien: Die stärkste Kraft in der Regierungskoalition, die SPD, liegt jetzt bei 17 Prozent, ihr Juniorpartner, die Grünen, bei 15 Prozent. Über der Alternative steht in den Meinungsumfragen nur noch die CDU/CSU, aber auch diese liegt mit bis zu 29 Prozent weit von Rekordwerten früherer Jahre entfernt. In Ostdeutschland ist sogar jeder Dritte bereit, die AfD zu wählen. Hier liegt sie aktuell auf dem ersten Platz, zehn Prozentpunkte vor dem stärksten Konkurrenten.

Aber warum stört es die deutsche herrschende Klasse so sehr, wo die nächste Bundestagswahl doch mehr als zwei Jahre entfernt ist? Vor drei Jahren, ein Jahr vor der letzten Bundestagswahl, ist die Alternative für Deutschland ebenfalls auf den zweiten Platz aufgestiegen, aber nicht für lange Zeit, und bei der Wahl im Herbst 2021 holte sie mit zehn Prozent der Wählerstimmen Platz fünf. Wird es jetzt nicht genauso kommen? Mit der Zeit wird doch sicher die Unzufriedenheit in der Gesellschaft nachlassen, die Propaganda gegen die "schrecklichen Extremisten" ihren Zweck erfüllen und infolgedessen die Fraktion der Alternative im Bundestag im Jahr 2024 nicht größer werden?

Diese Gewissheit scheint es nicht mehr zu geben, denn nicht nur die aktuellen Zahlen sind wichtig, sondern auch die Tendenzen in der Wählerstimmung. Umfragen zeigen, dass fast 29 Prozent der Deutschen sich vorstellen können, für die Alternative für Deutschland zu stimmen. Das bedeutet, dass sie potenziell die größte Partei in ganz Deutschland werden könnte. Und dann wird das Hauptprinzip der Systemparteien, Koalitionen mit der Alternative auf jeder Ebene (von den Kommunen bis zur Bundesregierung) zu verweigern, einfach nicht funktionieren, weil die Nicht-Systemparteien zu viele Abgeordnete haben werden und es schwer sein wird, ohne sie eine funktionierende Koalition zu bilden.

Schließlich ist das Prinzip, die AfD von der Regierungsverantwortung fernzuhalten (egal in welcher Position, auch als Juniorpartner), in den letzten Jahren zum Schlüssel für das gesamte deutsche politische System geworden – es wird alles tun, um diesem Prinzip zu entsprechen. Als letztes Mittel bleibt natürlich immer noch die radikalste Methode – das Verbot der Alternative für Deutschland als angeblich extremistische Kraft. Obwohl die deutschen Eliten bisher nicht bereit sind, dies zu tun, gewinnen die Vorbereitungen für ein mögliches Verbot an Schwung.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat den AfD-Landesverband Thüringen seit Langem ausdrücklich als extremistisch eingestuft, und vor Kurzem ereilte auch die gesamte Jugendorganisation der Partei das gleiche Schicksal (obwohl diese Entscheidung später von einem Gericht aufgehoben wurde). In einem kürzlich veröffentlichten Bericht des Verfassungsschutzes wird mehr als ein Viertel der Mitglieder als extremistisch bezeichnet, und in einem kürzlich erschienenen Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte heißt es, dass die Sprache und die Taktik, die die AfD verwende, um ihre "rassistischen und rechtsextremen Ziele" zu erreichen, das Verbot der Partei als "gefährlich für die freiheitliche demokratische Grundordnung" rechtfertigen würden. Mit anderen Worten: Die Voraussetzungen für ein Verbot der AfD werden nach und nach geschaffen. Zu den "Beweisen" für ihren "Extremismus" gehören seit einem Jahr auch immer mehr angebliche Verbindungen zu Russland.

Angesichts des Themas der "russischen Aggression", der "russischen Bedrohung" und des fast völligen Fehlens von Kontakten zwischen den Behörden beider Länder könnte ein solcher Vorwurf an sich ein weiterer Beleg für das moderne deutsche Verständnis des "Extremismus" der "Alternative" sein. Das heißt, sie "schüren nicht nur Hass gegen Migranten und Minderheiten", sondern tun dies in Zusammenarbeit mit und auf Geheiß der Russen und arbeiten für Russland, das eine Bedrohung für Deutschland darstellt. Und deshalb sollte man sie verbieten.

Wie lange wird die deutsche Elite von der Abschaffung der AfD absehen? In einem Jahr finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt, und wenn die "Alternative" (eine Anti-EU-Kraft) gut abschneidet, werden die Vorbereitungen für ihr Verbot auf der Tagesordnung stehen. Wenn feststeht, dass die Partei bis zur Bundestagswahl im Herbst 2024 nur noch zulegt und sich auf dem zweiten Platz festsetzt, wird ein Verbot sehr wahrscheinlich.

Und dann wird der Konflikt mit Russland, die Verbreitung der Russophobie, nicht nur ein Instrument der angelsächsischen Kontrolle über Deutschland sein, sondern auch zu einer Waffe des internen politischen Kampfes der deutschen Eliten werden. Eine ideale Situation für die Transatlantiker: Sie ermöglicht, den Abbruch der Beziehungen Deutschlands zu Russland auch auf innenpolitischer Ebene sicherzustellen und gleichzeitig die Aufgabe zu lösen, eine potenziell gefährliche antisystemische (und antitransatlantische) politische Kraft zu beseitigen.

In der Theorie mag es als eine gute Kombination erscheinen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, aber in der Praxis wird es die Krise Deutschlands nur verschärfen. Zur aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Krise wird eine innere Spaltung mit Radikalisierung (real, nicht fiktiv) der deutschen Gesellschaft hinzukommen.

Russophobie hat noch nie jemandem geholfen, weder in der Außen- noch in der Innenanwendung. Das sollten die Deutschen besser als jeder andere wissen.

Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst auf ria.ru erschienen

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