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Warum Elon Musk Twitter wirklich in "X" umbenannt hat

Der Versuch des Milliardärs, die Social-Media-Plattform Twitter in eine "App für alles" zu verwandeln, war eine mutige, aber zu tollkühne Entscheidung. Es gibt allerdings eine Reihe von Gründen, warum diese Rechnung nicht aufgehen könnte.
Warum Elon Musk Twitter wirklich in "X" umbenannt hatQuelle: Gettyimages.ru © Beata Zawrzel/NurPhoto

Von Bradley Blankenship

Elon Musk, der Milliardär und Wirtschaftsmagnat mit einer seltsamen Obsession für den Buchstaben X, hat scheinbar über Nacht die berühmte Marke Twitter in "X" umbenannt. Viele sind zu Recht der Meinung, dass dieser Schritt zu einem Exempel dafür werden wird, wie man eine sehr etablierte Marke versenken kann.

Aber hinter dem, was Musk tut, steckt eine Logik, und er hat seine Absichten seit Beginn der Übernahme von Twitter dargelegt. Beispielsweise heißt es in einem Bericht von Fortune vom Oktober 2022, dass Musk eine Vorliebe für den Buchstaben X habe, dass sein Sohn, den er mit der kanadischen Musikerin Grimes hat, diesen Spitznamen trägt, seine Raketenfirma SpaceX heißt und die Firma, über die er Twitter gekauft hat, X Holdings. Und wie der Bericht feststellt, bestand der Plan schon immer darin, Twitter in X umzubenennen, um es dann in eine "App für alles" umzubauen, ähnlich der chinesischen App WeChat.

Es gibt jedoch eine Reihe von Gründen, warum dies wahrscheinlich nicht funktionieren wird. Zum einen haben chinesische Internetnutzer ein anderes Konsumverhalten als Menschen in anderen Teilen der Welt. Bis vor einigen Jahrzehnten war China ein extrem armes Land und die meisten Menschen hatten keinen Zugang zum Internet. Die meisten Menschen in China sind gleich mit Mobiltelefonen in die digitale Welt eingestiegen und besaßen nie einen Desktop-Computer. Im Wesentlichen ist also die gesamte chinesische Internetumgebung mobil aufgestellt, während in anderen Teilen der Welt, insbesondere in westlichen Ländern, viele Menschen immer noch Desktop-Computer und Laptops verwenden.

Auch stellt sich die Frage, ob die ganze Welt, insbesondere Menschen im Westen und ganz besonders die US-Amerikaner, eine "App für alles" akzeptieren würden, mit der sie dann alle beherrscht werden. Das öffentliche Misstrauen gegenüber Big Tech ist nach wie vor hoch, nachdem Firmen wie Meta, Twitter und Alphabet öffentliche Skandale im Zusammenhang mit Daten und Absprachen mit der US-Regierung produziert haben. Es ist fraglich, ob die User jemals eine "App für alles" akzeptieren würden, die alle ihre Daten abgreift und sie Gott weiß, wofür nutzt. Im Westen gibt es keine Kultur, die eine solche Konformität akzeptieren würde, ob gerechtfertigt oder nicht.

Musk ist auch nicht der einzige amerikanische Technologieunternehmer, der die Idee hatte, dem asiatischen Osten nachzueifern. Meta, der Mutterkonzern beliebter Apps wie Facebook, Instagram und WhatsApp, kopiert bereits seit Jahren Funktionen aus chinesischen Apps. Die Marketplaces auf Facebook und Instagram wurden direkt von chinesischen Konkurrenten kopiert. Beide Apps ahmten zudem Funktionen ihres direkten chinesischen Konkurrenten TikTok nach, wie beispielsweise Kurzvideos. Nachdem TikTok zunehmend an Popularität gewonnen hatte, ist auch Youtube, das Alphabet, der Muttergesellschaft von Google, gehört, auf den Kurzvideo-Trend aufgesprungen und hat seinen Algorithmus angepasst, um Youtube Shorts voranzutreiben. Angesichts der Tatsache, dass China immer des Diebstahls von geistigem Eigentum beschuldigt wird und US-amerikanische Technologie-CEOs dieses Narrativ aus opportunistischen Gründen befeuern, ist der Gipfel der Ironie, dass US-Unternehmen genau das ebenfalls unverblümt tun.

Es gibt auch einige unmittelbare praktische Bedenken hinsichtlich der Umbenennung von Twitter durch Musk. Nachdem er die Kontrolle über das Unternehmen übernommen hatte, verkündete er, dass es in naher Zukunft vor dem Bankrott stehen könnte. Daher implementierte er Twitter Blue, einen Dienst für verifizierte User, die bereit sind, acht US-Dollar pro Monat zu bezahlen, und erweiterte den Dienst dahingehend, bei den nicht verifizierten und nicht zahlenden Usern die tägliche Anzahl der angezeigten Tweets und der Direktnachrichten zu begrenzen. Das hatte eine gewisse Logik: Den Usern werden für wesentliche Dienste Gebühren berechnet und viele User haben sich auch bei Twitter Blue angemeldet – mich eingeschlossen. Doch seit Musk Twitter gekauft hat, hat das Unternehmen die Hälfte seiner Werbeeinnahmen verloren. Man muss sich also fragen, ob es eine gute Idee war, inmitten dieser Unsicherheit den Markennamen zu ändern.

Meiner Meinung nach ist die Antwort darauf ein klares Nein. Die Leute kennen Twitter und vertrauen – mehr oder weniger – dieser Marke, aber sie kennen X nicht. Werden sie die App trotzdem nutzen? Wenn die vermasselte Einführung von Threads, Metas Antwort auf Twitter, ein Hinweis darauf sein könnte, dann ja, dann werden sie das tun. Aber die Umbenennung einer Marke erhöht nur das Risiko von Reibungen und verringert die Sichtbarkeit einer bereits etablierten App. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie tief Twitter bei so vielen Menschen verankert ist, steht das Verb "twittern" im Wörterbuch vieler Weltsprachen – jetzt müssen wir "xeeten" verwenden, was sowohl seltsam als auch unaussprechlich ist.

Eines der charakteristischen Merkmale von Musk ist, neben seiner Vorliebe für den Buchstaben X, seine Selbstdarstellung als Genie, das die Menschheit voranbringen will. In Wirklichkeit sind viele seiner Projekte erbärmlich dumm. Wie der Vegas Loop, ein Netzwerk von unterirdischen Tunneln in Las Vegas, in denen elektrisch betriebene Shuttles fahren, mit dem Ziel, den Verkehrsstau auf den Straßen von Las Vegas zu reduzieren – anstatt den öffentlichen Verkehr zu fördern.

Auch kursieren viele Missverständnisse, die er verbreitet hat, um das Narrativ seiner Speichellecker zu untermauern, wie zum Beispiel, dass er Tesla, den bekannten Hersteller von Elektroautos, gegründet habe. Aber er hat das Unternehmen nicht gegründet, er hat es aufgekauft und nannte sich später "Gründer". Dies führte zu einem Rechtsstreit, dessen Ausgang es ihm schließlich doch ermöglichte, diesen Titel zu behalten, obwohl er eigentlich nicht das war, was die englische Sprache unter einem Gründer verstehen würde. In einem Nachrichtenbericht zu diesem Thema wird auch beschrieben, wie ihm dasselbe mit PayPal gelang, dem Hauptprodukt von Confinity, einem Start-up, das in den 1990er-Jahren zusammen mit X.com von Musk entstanden war. Würde man jeden als Gründer definieren, einfach weil er ein früher Investor in einem Unternehmen war, dann könnte jede Person, die US-Steuern zahlt, als Tesla-Gründer angesehen werden, da dieser Hersteller von Elektrofahrzeugen zahlreiche bundesstaatliche Verträge abgeschlossen hat.

Um sein eigenes Image aufzupolieren, hat Musk das Recht erworben, sich als Gründer einiger dieser Unternehmen zu bezeichnen. Eine solche Benennung ist im Umfeld der Tech-Bruderschaft mit erheblichem Prestige verbunden. Wenn man sich also an dieser Geschichte orientieren will, scheint der Plan folgender zu sein: Die Umbenennung der Marke Twitter und die Einführung neuer Funktionen wurde so konzipiert, dass Elon Musk sich selbst als Gründer des Unternehmens bezeichnen kann. Es geht nicht um eine große Unternehmensstrategie oder einen ernsthaften Versuch, die mächtigste App zu werden. Musk möchte nur die Anerkennung für die ursprünglich von Jack Dorsey entwickelte App an sich reißen und gleichzeitig unverhohlen geistiges Eigentum aus China stehlen.

Aus dem Englischen

Bradley Blankenship ist ein in Prag lebender amerikanischer Journalist, Kolumnist und politischer Kommentator. Er hat eine Kolumne bei CGTN und ist freiberuflicher Reporter für internationale Nachrichtenagenturen, darunter die Nachrichtenagentur Xinhua. Er twittert auf @BradBlank_.

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