Nordamerika

China, Russland, Iran, die Amerikaner – Wen macht der Sturz von Sprecher McCarthy glücklich?

Die erstmalige Entthronung eines Sprechers des US-Repräsentantenhauses zeigt, dass die Amerikaner keine Blankoschecks für die Ukraine ausstellen wollen. Die überparteiliche Einigung macht wiederum deutlich: Es sollte kein Problem sein, mit den Gegnern auf der anderen Seite gemeinsame Sache zu machen.
China, Russland, Iran, die Amerikaner – Wen macht der Sturz von Sprecher McCarthy glücklich?Quelle: www.globallookpress.com © Annabelle Gordon/Keystone Press Agency

Von Rachel Marsden

Mit 216 zu 210 Stimmen votierten die Republikaner zusammen mit 208 Demokraten im US-Repräsentantenhaus für einen Regimewechsel bei einem der Ihren – dem Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy (Republikanischer Repräsentant für Kalifornien). McCarthy hatte versucht, das Establishment in Bezug auf die Finanzierung der Ukraine zu beschwichtigen. Während er gleichzeitig den Populisten, denen er seinen Posten als Sprecher des Repräsentantenhauses verdankte, Lippenbekenntnisse abstattete. Nun also wurde er mit der Ehre belohnt, der erste entthronte Sprecher in der Geschichte der USA zu sein. Das ist ein Sieg für den Durchschnittsamerikaner – es sei denn, man ist ein Schreiberling des Establishments, dann geht es freilich nur um Russland.

"Die Chinesen sind glücklich, die Russen sind glücklich, die Iraner sind glücklich. Die Amerikaner sollten verdammt wütend sein, dass diese acht Leute unserem Land das angetan haben", sagte der Abgeordnete Dan Bacon (Republikanischer Repräsentant für Nebraska). Wie kann es jemand wagen, die Politik des Establishments infrage zu stellen, wo doch alles so gut für den Durchschnittsamerikaner gelaufen ist? McCarthys Befürworter beschuldigen die Gegner in seiner eigenen Partei, mit den Stimmen für seinen Sturz Geld zu sammeln. Wenn aber die Amerikaner bereit sind, die Absetzung zu belohnen, indem sie den Verantwortlichen Spenden zukommen lassen, dann scheinen sie nicht wirklich "stinksauer" zu sein und es sind die etablierten Republikaner, die im Abseits stehen.

Wie gut passt es da, dass der letzte Strohhalm in McCarthys Fall die von Matt Gaetz (Republikanischer Repräsentant für Florida) vorgebrachten Behauptungen zu sein scheinen. Gaetz wirft ihm nämlich vor, hinter dem Rücken der "Grand Old Party" (GOP) [Bezeichnung für die Republikanische Partei; Anm. der Redaktion] zur Biden-Administration gegangen sei, um etwas in Bezug auf die Fortsetzung der Hilfe für die Ukraine auszuhandeln, die schamlos an das Haushaltsgesetz angeheftet worden war, das die Bundesregierung für mindestens weitere 45 Tage am Laufen halten würde. Die Finanzierung der Ukraine war der Knackpunkt gewesen, der die Republikaner daran gehindert hatte, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, bis McCarthy sie aus der Abstimmung herausgenommen hatte. Doch dann beschuldigte Gaetz McCarthy, einen Deal mit Biden gemacht zu haben, um eine Abstimmung über eine weitere Runde der Ukraine-Hilfen im Rahmen einer separaten Abstimmung im Repräsentantenhaus wiederzubeleben.

Wenn Biden das Risiko eingehen wollte, die Unterstützung für die Ukraine an den Gesetzesentwurf anzuheften – von dem er annahm, dass die Gesetzgeber gezwungen sein würden, ihn zu verabschieden, da die Alternative ein Shutdown für die gesamte Regierung wäre –, dann hätte er die vollen Konsequenzen dieses Risikos tragen müssen. Der Regierungshaushalt sollte gesperrt werden, weil der amerikanische Präsident der Meinung ist, dass die Finanzierung der Regierung genauso wichtig ist wie die der Ukraine. Und dass die Bezahlung der amerikanischen Bürokraten direkt an die Bereitschaft der Gesetzgeber gebunden ist, die Kiewer Bürokraten weiterhin zu bezahlen. Wenn dann diejenigen, die meinen, sie repräsentierten am besten die wachsende Zahl amerikanischer Wähler, die sich zunehmend gegen mehr Geld für Kiew aussprechen, weil sie den Druck ihrer eigenen sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage spüren, die durch die fehlgeleitete Politik des Establishments verursacht wurde – wenn sie dieses zweiköpfige legislative Scheusal von einem Gesetz zurückweisen, dann legen sie die Schuld direkt in Bidens Schoß, weil er das Risiko eingegangen ist, diesen Haushalt überhaupt erst herbeizuführen.

McCarthy hat diesbezügliche Hinterzimmergeschäfte bestritten, aber wenn es wie eine Ente läuft und wie eine Ente spricht... McCarthy wäre wohl nicht einmal im Amt gewesen, wenn er nicht der populistischen Fraktion der GOP – dem Freedom Caucus – versprochen hätte, der Ukraine keinen "Blankoscheck" auszustellen. Aber er schien von der Kritik seitens etablierter GOP-Mitglieder wie Liz Cheney (Republikanische Repräsentantin für Wyoming) beeinflusst zu sein. "Die Vorstellung, dass die Partei das ukrainische Volk nicht mehr unterstützen wird. Für jemanden, der ein Bild von Ronald Reagan an der Wand seines Büros im Kapitol hängen hat, ist die Vorstellung, dass Kevin McCarthy sich jetzt zum Anführer des Pro-Putin-Flügels meiner Partei macht, einfach umwerfend", sagte Cheney in einem Interview im vergangenen Jahr. Und daraufhin lief McCarthy plötzlich herum und verglich Putin und die Ukraine mit Adolf Hitler und dem Zweiten Weltkrieg. Genauso wie ein Teenager, dem gesagt wird, er sei verweichlicht, dies durch Gewichtheben und aggressives Anbaggern von Mädchen kompensiert. Es ist, als ob McCarthy etwas zu beweisen hatte. Und wie jeder weiß, bedeutet das in der Regel, dass unter der Oberfläche etwas anderes vor sich geht – eine Identitätskrise oder zumindest ein Mangel an Vertrauen in sich selbst oder in die eigenen Positionen. 

Cheney verlor ihre Vorwahlen im vergangenen Jahr gegen einen Trump-freundlichen Herausforderer, was nur ein weiterer Beweis für die wachsende Kluft zwischen den Wählern und denjenigen ist, die nach Washington geschickt wurden, um ihre Interessen zu vertreten. Indem er sogar versucht, Leute wie Cheney zu beschwichtigen, das Feld abzustecken oder sich an die Narrative und Positionen des Establishments anzupassen, hat McCarthy nur gezeigt, dass er die Wähler nicht einschätzen kann.

Offensichtlich gibt der Freedom Caucus, aber er nimmt auch. Und die etablierte GOP tut jetzt so, als würde sie von einer kleinen Gruppe von Gesetzgebern ihrer eigenen Partei schikaniert. Und zwar von solchen, die es wagen, sich den üblichen Kumpanen in den Weg zu stellen, die durchsetzen, was immer sie wollen, unabhängig davon, wie sehr das mit der wachsenden populistischen Basis der Partei nicht im Einklang ist. Dieselbe Basis, deren Ideen inzwischen so weit verbreitet sind, dass sie Trump 2016 zur Präsidentschaft verholfen haben und ihn trotz seiner zahlreichen juristischen Probleme auch jetzt noch bei den GOP-Wählern für 2024 weit vorne liegen lassen. 

Die Tatsache, dass die Parteizugehörigkeit der Demokraten vom Freedom Caucus erfolgreich gegen McCarthy eingesetzt wurde, um ihn aus dem Amt zu drängen, beweist nur, dass der Unterschied zwischen den beiden großen amerikanischen Parteien heutzutage viel weniger zählt, wenn sich die Akteure in beiden Parteien ständig darauf einigen, Elemente einer Agenda durchzudrücken, die hauptsächlich den Interessen der westlichen Establishment-Eliten zu dienen scheint. Wenn sie sich also überparteilich darauf einigen können, dann sollte es kein Problem sein, mit den Gegnern auf der anderen Seite gemeinsame Sache zu machen. Vermutlich ist das sogar das Modell für einen Sieg über die der Agenda des Establishments – damit das Rechts/Links-Paradigma in den Hintergrund tritt. 

Aber wenn man McCarthys Unterstützer fragt, ist es Putin, der begeistert ist – und nicht der Durchschnittsamerikaner, der zumindest vorübergehend davon verschont wurde, dass noch mehr von seinem Steuergeld in die Cargohosen des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij gesteckt oder in die von Kumpanen des militärisch-industriellen Komplexes "für die Ukraine" gewaschen wird. Offensichtlich verliert die Beschimpfung der Gegner als "Putinversteher" ihren Glanz als rhetorische Waffe, mit der die Begeisterung der Patrioten für die Beseitigung des Gesindels gedämpft werden soll.

Aus dem Englischen.

Rachel Marsden ist Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin von unabhängig produzierten Talkshows auf Französisch und Englisch.

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