Deutschland

Das System Putin wankt – wieder mal: Deutsche Medien über den Aufstand der Wagner-Truppen

Die deutschsprachigen Medien sind sich nach dem gescheiterten Aufstand der Wagner-Truppen einig: Putins Macht schwindet. Die Häme darüber wird unverhohlen zur Schau getragen. Dabei stimmt weder die Analyse, noch gibt es tatsächlich Anzeichen für eine Schwächung. Im Gegenteil.
Das System Putin wankt – wieder mal: Deutsche Medien über den Aufstand der Wagner-TruppenQuelle: www.globallookpress.com © Bai Xueqi/XinHua

Die Quellenlage ist nach wie vor mager. Was der russische Unternehmer und Eigentümer der Söldnerorganisation "Wagner", Jewgeni Prigoschin, mit seinem Marsch auf Moskau erreichen wollte, ist unklar. Den Sturz von Putin wohl nicht. Das geht aus Interviews hervor, welche die Journalistin Alina Lipp in Rostow am Don mit Kämpfern der Wagner-Gruppe geführt hat und über die der Blog Antispiegel berichtet

Der deutsche Journalismus sieht das, einer alten Gewohnheit folgend, komplett anders. Putins Position ist schwer erschüttert, glaubt man, sein Rückhalt schwindet, das "System Putin" ist dem Untergang nah – wieder einmal.

ARD-Russland-Korrespondentin Ina Ruck ist sich jedenfalls sicher, das war

"ein schwerer Schlag für Putins Image".

Das Vertrauen des Volkes sei verspielt, will sie noch am Tag der Ereignisse herausgefunden haben. Wie sie zu der Erkenntnis kommt, verrät sie nicht und fabuliert stattdessen davon, dass Putin das Gewaltmonopol des Staates in private Hände gegeben habe. 

Die BILD-Zeitung meint ebenfalls, Putins Macht wankt, und bedient sich des rassistischen Klischees vom barbarischen Russen.

"In Russland hat sich neben dem Kreml ein neues Machtzentrum etabliert. Putin ist nicht mehr der unumstrittene Führer, viele Russen können sich einen noch brutaleren Extremisten als Führer vorstellen."

Die BILD findet dann auch einen Experten, der ein zum deutschen Narrativ passendes Zitat liefert. Viktor Alksnis, ehemaliger Duma-Abgeordneter der rechtskonservativen Partei Rodina und zur Zeit der Sowjetunion Oberst der Luftstreitkräfte der UdSSR, schrieb auf seinem Telegram-Kanal:

"Ich muss mit Bitterkeit feststellen, dass Russland seinem endgültigen und unwiderruflichen Untergang einen Schritt näher gekommen ist."

Das passt in das Russland-Bild, das die BILD-Zeitung für ihre Leser entwirft. Die BILD fabuliert:

"Tausende Ex-Häftlinge und Schlächter putschten gegen das russische Militär. Ihr Anführer Prigoschin hat für Russland, die Ukraine oder den Westen nichts Gutes übrig. Aber: Ihr Aufstand schwächt das Kriegstreiber-Regime von Putin, davon können Russlands Feinde profitieren."

Das Handelsblatt sieht Putin nicht nur im Inland geschwächt. Putin hat mit seinen Amtskollegen in den Staaten telefoniert, die Mitglied in der Organisation des Vertrags über Kollektive Sicherheit (OVKS) sind, und sie über die Situation in Russland informiert. Kasachstans Präsident Toqajew hat laut Gesprächsprotokoll angemerkt, es handele sich um eine innere Angelegenheit Russlands. Darin will das Handelsblatt eine Erosion des Bündnisses erkennen. 

"Die Aussage kommt einer indirekten Unterstützungsabsage der Organisation des Vertrags über Kollektive Sicherheit (OVKS) gleich",

glaubt das Handelsblatt, um im nächsten Satz zu schreiben, dass Russland im Januar 2022 auf Bitten der kasachischen Regierung Truppen nach Kasachstan entsandt hatte, als es dort zu einem bewaffneten Aufstand gekommen war. Auch eine innere Angelegenheit. 

Das Handelsblatt sieht Putin schwer beschädigt und lässt wie die BILD-Zeitung einen Experten zu Wort kommen, der diese Deutung bestätigt. 

"Putin geht entsprechend politisch stark geschwächt aus der Situation hervor. Der Russland-Analyst Nigel Gould-Davies von der Londoner Denkfabrik International Institute for Strategic Studies sagte am Samstag, der interne Konflikt ermutige die ukrainischen Truppen und demoralisiere die russischen."

Auch Carlo Masala, Dozent an der Universität der Bundeswehr in München, wird vom Handelsblatt zitiert. Der sieht eine Demütigung Putins nach innen wie nach außen. 

Das Springerblatt Welt lässt sich zu anderen Spekulationen hinreißen. Das laut westlichen Medien autoritäre russische Regime wird jetzt noch autoritärer, glaubt man dort. Diese Behauptung äußerte der aus Russland stammende Alexander Gabuev, der für den US-Thinktank Carnegie Endowment Center arbeitet.

"WELT AM SONNTAG: Was bedeutet der Aufstand für das System Putin?
Gabuev: Putins öffentliches Image ist natürlich beschädigt. Aber er wird das zu korrigieren versuchen, indem er noch härter und repressiver agieren wird.
WELT AM SONNTAG: Noch repressiver?
Gabuev: Ja. Der Aufstand zeigt die Schwäche des Systems."

Auch die taz sieht das Ende Putins gekommen und lässt ihrer Schadenfreude freien Lauf

"'Ich setze mich heute die ganze Nacht vor den Fernseher', sagt die Friseusin Natali zu ihrem Kunden. 'Jetzt sind die letzten Stunden von Putin gekommen. Und dessen Gesicht will ich live erleben, wenn er von der Angst ergriffen den Aufständischen gegenübersteht', so die Frau begeistert zu ihrem Kunden. 'Wissen Sie was, ich habe mich schon genug mit Popcorn eingedeckt, kann es kaum noch erwarten diesen Abend am Fernseher.'"

Im Gleichklang mit den deutschen Medien glaubt auch die Neue Zürcher Zeitung an das baldige Ende des Systems Putin. Daran glaubt sie allerdings schon viele Jahre. 

"Ist das der Beginn des Niedergangs von Wladimir Putins Regime? Geht nun der Krieg bald zu Ende? Diese Fragen – diese Hoffnungen – bewegen derzeit Millionen von Menschen rund um die Welt."

Die deutschsprachige Propaganda-Front steht wieder einmal wie ein Mann. Eine andere Möglichkeit, als dass es Prigoschin um den Sturz Putins gegangen ist, wird gar nicht erst zugelassen. Die Nachricht für den deutschen Medienkonsumenten lautet: Putin ist bald Geschichte. Die Freude darüber wird unverhohlen zur Schau getragen.

Dabei lehrt die Geschichte der letzten Jahre etwas anderes. Nach dem gescheiterten Putsch-Versuch der Gülen-Bewegung gegen Erdoğan im Jahr 2016, nach dem Umsturzversuch gegen Lukaschenko in Weißrussland im Jahr 2020, dem gescheiterten Putsch in Venezula gegen Maduro und den Unruhen in Kasachstan mit dem Ziel, Präsident Toqajew wegzuputschen, saßen all diese Staatenführer fester im Sattel als zuvor. Eine Begründung, warum das in diesem Fall anders sein sollte, bleiben die deutschen Medien schuldig. Es ist reiner Behauptungsjournalismus, was man den Deutschen vorsetzt. 

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Hoffnungen der deutschsprachigen Medien auf einen Machtwechsel in Russland erfüllen, sind daher doch eher gering. Was man zudem in Deutschland völlig übersieht, ist, dass auch ein Nachfolger Putins Russland weiter von der EU wegführen wird.

Putin war die Chance, das gemeinsame Haus Europa zu bauen und den eurasischen Kontinent zu einen. Sie wurde vom Westen vertan. Sie kommt so schnell auch nicht wieder. Es wurde seitens der EU und Deutschlands deutlich zu viel Porzellan zerschlagen. Die extrem einseitige deutsche Berichterstattung über Russland hat ihren Beitrag dazu geleistet. 

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